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Zulassung als Syndikusrechtsanwalts Geschäftsführer

BGH bestätigt (noch) seine Rechtsprechungslinie

Es ist ein lange währender Streit zwischen den Anwaltskammern, der DRV und den Berufsträgern über die Frage, ob ein Geschäftsführer einer (gewerblichen) GmbH eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erhalten könne. Es stellen sich dabei zwei Probleme: Die Unabhängigkeit und das Arbeitsverhältnis.

Unabhängigkeit muss in der Satzung verankert

Inzwischen geklärt ist der Umstand, dass die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwaltes in dem Gesellschaftsvertrag verankert sein muss. Dies hat der BGH (Beschluss vom 13.03.2024 – AnwZ (Brfg) 43/23) erst kürzlich bestätigt: Nach ständiger Rechtsprechung des Senats fehlt es ohne satzungsmäßige Verankerung der Weisungsfreiheit an der erforderlichen Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit eines Geschäftsführers einer GmbH, da dieser grundsätzlich gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG die Weisungen der Gesellschafterversammlung – sei es im Einzelfall oder als allgemeine Richtlinie – zu jeder Geschäftsführerangelegenheit zu befolgen hat, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält (vgl. Senat, Urteile vom 24. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 33/21; vom 13. Mai 2022 – AnwZ (Brfg) 21/21).  Denn die Möglichkeit der Beeinträchtigung der fachlichen Unabhängigkeit ist bereits in der Geschäftsführerstellung selbst angelegt, da die organschaftliche Weisungsgebundenheit ohne satzungsmäßige Verankerung der Weisungsfreiheit immanenter Bestandteil der Stellung als Geschäftsführer der Gesellschaft ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 2020 – AnwZ (Brfg) 17/20, aaO Rn. 19). Dementsprechend hat der Senat einen Gesellschafterbeschluss, mit dem die Gesellschafter einer Änderung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags zugestimmt hatten, durch die die Weisungsfreiheit des Geschäftsführers bei seiner anwaltlichen Tätigkeit zugesichert wurde, nicht für hinreichend gehalten, um die fachliche Unabhängigkeit des dortigen Geschäftsführers zu gewährleisten, da mit diesem Beschluss nicht zugleich der Gesellschaftsvertrag geändert worden war (vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 2022 – AnwZ (Brfg) 21/21).

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Anwaltshaftung

Ein Rechtsanwalt muss die gängigen Datenbanken kennen und checken

Nach § 1 Abs. 3 BORA beraten und vertreten Rechtsanwälte ihre Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten unabhängig und haben sie vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern. Haftungspräventiv muss jeder Rechtsanwalt dabei im Rahmen seiner Beratung die einschlägigen Datenbanken nach aktuellen Entscheidungen durchsehen, so das OLG Jena in seinem aktuellen Urteil (vom 26.1.2024 – 9 U 364/18).

Beratungspflichten

Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts bei Wegfall der Erfolgsaussicht eines Rechtsstreits nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehört es, dass dieser seine Mandantschaft auf die geänderte Rechtslage hinweist. Dazu hat das OLG Jena ein paar beachtenswerte Grundpfeiler anwaltlicher Haftung zementiert: 

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Satirische Werbung – (Keine) Verletzung von Persönlichkeitsrechten

Beewashing und greenwashing

I. Ein Urteil mit Bekanntkeitsgrad

Ein Satiriker, der sich gerichtlich gegen Satire wehrt?! Vergangenen Monat hat das Landgericht Dresden in einem Einstweiligen Verfügungsverfahren darüber zu entscheiden, ob ein Imker mit Gegensatire auf eine satirische Kritik antworten darf (Urt. v. 08.02.2024, Az. EV 3 O 2529/23). Das Landgericht bejahte dies.

II. Der Sachverhalt

Der bekannte Satiriker Jan Böhmermann hatte in einem seiner satirischen Berichte einem Imker vorgeworfen, sog. greenwashing (also Schönfärberei mit Umweltaspekten zwecks Umsatzgenerierung) zu betreiben – und nannte dies „beewashing“. Den Bericht nahm der Imker zum Anlass, um seinen Honig u.a. als „beewashing-Honig“ und „Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt:“ mit Bild Böhmermanns zu bewerben. Dieser wehrte sich dagegen und verlangte vor Gericht, dass der Imker die vorgenannte Werbung. Dabei machte er eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1, 2 GG), insbesondere sein Recht am eigenen Namen (§12 BGB) und Bild (§ 22 KUG) geltend (LG Dresden, Urt. v. 08.02.2024, Az. EV 3 O 2529/23).

III. Die Entscheidung

Das Landgericht Dresden hatte nun zu entscheiden, ob es sich bei der Werbung des Imkers um (Gegen-)Satire handelt, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Dies bejahte das Gericht und gab dem Imker vorerst Recht (Urt. v. 08.02.2024, Az. EV 3 O 2529/23). Unterlassungsansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. 12 BGB; §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. 22, 23 KUG bestünden nicht.

Beim Namensrecht wog es die Rechte der Betroffenen gegeneinander ab und gab der Meinungs- und Kunstfreiheit des Imkers den Vorzug. Im Wesentlichen sei erkennbar, dass es sich bei der Werbung (auch) um Satire handele. Dagegen sehe der Betrachter, dass nicht Böhmermann selbst den Honig empfehle. Außerdem bediene die Werbung ein allgemeines Informationsinteresse.

Auch sei Böhmermanns Recht am eigenen Bild nach § 22 KUG nicht verletzt. Zwar sei eine Veröffentlichung von Fotos einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung erlaubt. Eine Einwilligung ist aber gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte nicht notwendig – und Böhmermann sei eine Person der Zeitgeschichte. Im Übrigen sah das Gericht keine Verletzung berechtigter Interessen Böhmermanns nach § 23 Abs. 2 KUG.

Ob das Urteil in der Folgeinstanz Bestand haben – oder wie ein etwaiges Hauptverfahren ausgehen – wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.

IV. Resümee

Man darf Satire im Rahmen der rechtlichen Grenzen mit Gegensatire zu begegnen. Gegensatire wird begrifflich weit verstanden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.2002 – 1 BvR 354/98). Das Gericht sah es im Übrigen als unschädlich an, dass mit der satirischen Werbung gleichzeitig auch wirtschaftliche Ziele verfolgt wurden. Dieser Aspekt könnte die etwaige nächste Instanz letztlich anders bewerten. Neben dem Gesichtspunkt der Unterlassung könnte in einem Hauptverfahren auch Schadensersatz geltend gemacht werden. Wie dem auch sei, die Kreativität wird man dem Imker nicht absprechen können.

Das beA der weiteren Kanzlei

AGH Berlin zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach

Die Anwaltschaft nutzt täglich das beA zur Kommunikation mit den Gerichten, Behörden und Berufskollegen. Dabei kommt es nicht selten vor, dass Kommunikationsinhalte seitens der Gerichte auf ein „falsche“ Postfach geschickt werden, bspw. in das Postfach eines Partners, der Berufsausübungsgesellschaft oder eben der weiteren Kanzlei des Berufsträgers.

Die weitere Kanzlei

Die Rechtsanwaltskammer ist zur Einrichtung eines beA-Postfachs für einen Rechtsanwalt bei Meldung eines (weiteren) Kanzleisitzes gesetzlich verpflichtet. Die Tatsache, dass für ihn ein weiteres beA-Postfach eingerichtet wird, wenn er einen weiteren Kanzleisitz anmeldet, ergibt sich bereits aus § 31a Abs. 7 BRAO. Eine weitere Kanzlei muss dann angemeldet werden, wenn der Berufsträger neben seiner Hauptkanzlei (auch Zulassungskanzlei) und entsprechenden Standorten (= Zweigstellen) an einer anderen Kanzlei (also einem anderen Rechtsträger) voll oder teilweise beteiligt ist. 

Kanzlei beA

Der Anwaltsgerichtshof Berlin hat nunmehr mit Urt. v. 15.11.2023 (AGH 8/20) entschieden, dass die Bundesrechtsanwaltskammer vor der Einrichtung von beA-Postfächern für Rechtsanwälte nicht verpflichtet sei, diese darüber vorab zu informieren (Bringschuld). Rechtsanwälte trifft bezüglich dieser Informationen eine Holschuld.  Eine solche Informationspflicht folge auch nicht aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 DSGVO, da dieses bei der automatischen Einrichtung von beA-Postfächern i.S.v. Art. 14 Abs. 5 b) DSGVO einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Überdies sind die Informationen zu den beA-Postfächern i.S.v. Art. 14 Abs. 5 c) DSGVO durch § 31a BRAO spezialgesetzlich geregelt.

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Werbung im Handwerk

Handwerksordnung

Dienstleistungen der Gewerke

Auch Handwerksbetriebe haben sich an gesetzliche Vorschriften zur Werbung zu halten. Unser Rechtsanwalt Lars Grupe hat kürzlich zu verschiedenen Vorgaben der Werbung im Handwerk und Fallstricken im Werbetext einen Überblick gegeben. Abrufbar ist das Interview unter https://www.handwerk.com/4-rechtliche-fallstricke-in-ihren-werbetexten

Eigenmächtige veranlasste Gehaltszahlungen des Geschäftsführers

Entscheidung des OLG Brandenburg, Urt. v. 24.01.2024 – 7 U 2/23)

Die Zuständigkeit für den Geschäftsführer Dienstvertrag liegt bei der Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 5 GmbHG analog. Dies gilt auch für Anpassungen der Bezüge, über die die Gesellschafterversammlung nach freiem Ermessen zu entscheiden hat. Nur in krassen Ausnahmefällen kann ein Anspruch des Geschäftsführers auf Anpassung seiner Bezüge in Betracht kommen (BGHZ 44, 40).

Fraglich sind die Konsequenzen, die sich aus eigenmächtig von dem Geschäftsführer vorgenommenen Gehaltsanpassungen ergeben.

Sachverhalt

In einem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall hatte ein GmbH Geschäftsführer von 2015 bis 2019 jeweils jährliche Einmalzahlungen an sich veranlasst (OLG Brandenburg, Urt. vom 24.1.2024 – 7 U 2/23). Die Größenordnung belief sich in Summe auf EUR 170.000,00. Für die Jahre 2015, 2016 und 2017 wurde dem Geschäftsführer Entlastung erteilt; für die Jahre 2018 und 2019 nicht. Die eigenmächtig veranlassten Einmalzahlungen blieben bis ins Jahr 2020 unentdeckt. Der Geschäftsführer hielt die Zahlungen für legitim und sein Gehalt ansonsten für zu niedrig. Im Jahr 2020 – nach Entdeckung der veranlassten Einmalzahlungen – wurde der Geschäftsführer abberufen und sein Dienstvertrag aus wichtigem Grund gekündigt. Zusätzlich fasste die Gesellschafterversammlung den Beschluss, gegen den Geschäftsführer Schadensersatzansprüche gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, § 823 Abs. 2 BGB geltend zu machen. Erstinstanzlich wurde ein Schadensersatz in Höhe von EUR 170.000,00 bejaht (LG Potsdam Urt. v. 6.12.2022 – 8 O 297/20, BeckRS 2022, 53842).

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Zugangsnachweis beim beA

Kontrolle immer in der Webanwendung erforderlich

Im Grundsatz hat der Rechtsanwalt im digitalen Rechtsverkehr dieselben Sorgfaltspflichten zu wahren, wie im damaligen analogen Fax-/Postversand. Nunmehr hat das OLG Hamm (Beschluss vom 15.01.2024 – 22 U 13/23) entschieden, dass der Rechtanwalt die fristwahrende Zugangskontrolle nicht ausschließlich über seine Anwaltssoftware prüfen darf, sondern dies in der Webanwendung des beA kontrollieren müsse.

Sorgfaltsanforderungen beA

Die anwaltlichen Sorgfaltsanforderungen an die Überprüfung des ordnungsgemäßen Zugangs fristgebundener Schriftsätze bei Versendung über beA erfordern eine präzise Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals durch den Rechtsanwalt. Diese hat sich darauf zu beziehen, wo und wie die automatische digitale Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO in der beA-Webanwendung zu finden ist und welcher Inhalt den ordnungsgemäßen Eingang der elektronischen Nachricht bei Gericht anzeigt.

Die erfolgreiche Übermittlung der elektronischen Nachricht an das Gericht über das beA wird in der Webanwendung des Systems durch den Meldetext «Request executed», das Eingangsdatum und den Übermittlungsstatus «Erfolgreich» angezeigt.

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Arbeitgeberportale nicht mehr anonymisiert!?

Die Entzauberung von kununu & Co.

Das Arbeitgeberportal kununu wirbt damit, dass Arbeitgeber bewertet werden können, und zwar anonym. Die Bewertungen können sowohl (ehemalige) Arbeitnehmer als auch Bewerber abgeben.

Löschung der Arbeitgeberbewertung

Das OLG Hamburg hat nun in einem Eilverfahren entschieden, dass kununu dem Löschungsbegehren eines Arbeitgebers hinsichtlich einer negativen Bewertung entsprechen müsse (Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Februar 2024, Az. 7 W 11/24).

„Fake Bewertung“

Der Arbeitgeber hatte vorgetragen, dass die Bewertung von jemandem stamme, der nie Arbeitnehmer gewesen sei. Tatsächlich hat es in der Vergangenheit immer wieder schon die Fragestellung gegeben, inwieweit Arbeitgeber angesichts der anonymen Bewertungsmöglichkeit davor geschützt sind, dass nicht beispielsweise Wettbewerber negative Bewertungen erstellen, auch um sich in Zeiten des Fachkräftemangels Vorteile bei dem Kampf um Mitarbeiter zu verschaffen.

Niedrige Hürden für Arbeitgeber

Rechtlich betrachtet wurde dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertung zugesprochen. Zur Begründung hat das OLG Hamburg verwiesen auf die Grundsätze der Betreiberhaftung für InternetportaleBGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, 3072). Der Arbeitgeber muss für die erfolgreiche Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs, so das OLG Hamburg, rügen, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit seiner Leistung zu Grunde liegt. Es wäre dann an dem Portal, den Bewerter so zu konkretisieren, dass der Arbeitgeber das Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts überprüfen kann (Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Februar 2024, Az. 7 W 11/24). Dazu war kununu in dem streitgegenständlichen Verfahren nicht in der Lage, weswegen dem Antrag des Arbeitgebers stattzugeben war. Etwas anderes ergab sich auch nicht daraus, dass kununu einwandte, aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben nicht zu einer Individualisierung in der Lage zu sein (Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Februar 2024, Az. 7 W 11/24).

Resümee

Sofern Arbeitgeber anonyme Fake Bewertungen nicht zuordnen können, werden sich in den meisten Fällen Unterlassungsansprüche durchsetzen lassen, die dann zur Löschung der Bewertung führen. Arbeitgeber haben damit nun eine gute Chance, sich gegen schlechte Bewertungen durchzusetzen, jedenfalls wenn diese nicht einem konkreten Mitarbeiter/Bewerber zugeordnet werden können.

Wir unterstützen Sie gern bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen.

Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz

Ergänzende Leistungsschutz

Unlauterer Wettbewerb

Einleitung

Im Lauterkeitsrecht (UWG) in § 4 Nr. 3 ist der sog. ergänzende Leistungsschutz kodifiziert. Er „ergänzt“ den Nachahmungsschutz der speziellen Schutzrechte des geistigen Eigentums, wie Marken- Patent- und Designrechte, um eine wettbewerbsrechtliche Dimension. Aber was ist damit überhaupt gemeint? Braucht man ergänzenden Leistungsschutz überhaupt?

Grundsatz: Nachahmungsfreiheit

Grundsätzlich herrscht in Deutschland das Prinzip der Nachahmungsfreiheit. Das bedeutet, dass Waren/Dienstleistungen nachgeahmt werden dürfen, wenn und soweit daran keine Rechte aus Sondergesetzen (wie des Geistigen Eigentums oder Urheberrechte) bestehen. Dahinter steht der marktwirtschaftliche Gedanke, Wettbewerb zu schaffen.

Ausnahme: Unlauterkeit

Der Bundesgerichtshof wird nicht müde zu betonen, dass das Vorliegen einer Nachahmung für sich genommen nicht die Unlauterkeit i.S.v. § 4 Nr. 3 UWG begründet (s. nur BGH, Urt. v. 22.9.2021 – I ZR 192/20). Es können aber weitere Umstände hinzutreten, die dann eine Unlauterkeit begründen.Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

  • eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
  • die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
  • die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat.

Außerdem wesentliche Voraussetzung dafür, eine unlautere Nachahmung annehmen zu können, ist, dass Ware/Dienstleistung eine sog. wettbewerbliche Eigenart aufweisen. Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn nach der Verkehrsanschauung die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die potenziellen Kunden auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Hingegen liegt keine wettbewerbliche Eigenart vor, wenn der potenzielle Kunde die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet (BGH, Urt. v. 22.9.2021 – I ZR 192/20).

Dies ist immer eine Betrachtung anhand der konkreten Umstände. Zu beachten ist dabei auch, dass eine Wechselwirkung besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, Urt. v. 26.1.2023 – I ZR 15/22).

Insgesamt gibt der Tatbestand der unlauteren Nachahmung daher viel Argumentationsspielraum, was ein Grund dafür sein wird, dass Unternehmen offenbar immer häufiger dieses rechtliche Instrument per Abmahnung, einstweiligen Rechtsschutz und Hauptverfahren nutzen und der Bundesgerichtshof aktuell regelmäßig über unlautere Nachahmungen zu befinden hat (s. nur BGH, Urt. v. 26.1.2023 – I ZR 15/22; BGH, Urt. v. 22.9.2021 – I ZR 192/20; BGH, Urt. v. 7.12.2023 – I ZR 126/22).

Resumee

Der ergänzende Leistungsschutz führt im Vergleich zu den Sonderschutzrechten des geistigen Eigentums und Urheberrecht ein Schattendasein, das jedoch unberechtigt ist. Vielmehr bietet der ergänzende Leistungsschutz aufgrund seiner Offenheit für Argumentation viel Spielraum, gegen nachahmende Waren/Dienstleistungen vorgehen zu können.

Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung

Risiken des Fremdpersonaleinsatzes

Die Ausgangskonstellation ist stets dieselbe: Der Arbeitnehmer eines Unternehmens wird im Rahmen des Fremdpersonaleinsatzes bei einem anderen Unternehmen tätig. Die Unternehmen schließen hierüber zumeist einen Dienst- oder einen Werkvertrag. Tatsächlich zeigt sich dann, dass es sich bei dem Fremdpersonaleinsatz um einen Fall verdeckter Arbeitnehmerüberlassung handelt, weil das den Arbeitnehmer zur Verfügung stellende Unternehmen weder über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt, noch der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer überlassen worden ist.

Risiken auf Ebene des „Verleihers“?

Risiken aus der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung ergeben sich sowohl für Verleiher als auch für Entleiher.

Für den Verleiher besteht in erster Linie das Risiko einer Geldbuße bis zu EUR 30.000,00 nach § 16 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1c, Nr. 1d AÜG. Außerdem kann der Leiharbeitnehmer im Fall der Unwirksamkeit des Vertrages mit dem Verleiher nach § 9 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut.

Risiken auf Ebene des „Entleihers“?

Nach § 10 Abs. 1 AÜG kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 I 5 und 6 AÜG nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist (§ 9 I Nr. 1a Hs. 1 AÜG), (BAG NZA 2024, 198 Rn. 12, beck-online). Der Arbeitnehmer kann also auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses klagen.

Wann liegt eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor?

Immer dann, wenn die Unternehmen einen Fremdpersonaleinsatz nicht auf Basis des AÜG vereinbaren, sich dann aber zeigt, dass der im Rahmen des Fremdpersonaleinsatzes tätige Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, (BAG NZA 2024, 198 Rn. 14, beck-online). Das BAG hatte jüngst Anlass, sich in diesem Zusammenhang mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast auseinanderzusetzen und hat hierzu festgehalten, dass, wie auch sonst im Arbeitsrecht, bei Widerspruch zwischen rechtlicher Einordnung und tatsächlicher Durchführung letztere maßgeblich ist. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitsverhältnis gem. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG kraft Gesetzes begründet wird. Kann er die erforderlichen Tatsachen nicht vortragen, weil er außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, greifen zu seinen Gunsten die Erleichterungen der sekundären Darlegungslast ein (BAG NZA 2024, 198, beck-online). In dem konkreten Fall hatte der auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses klagende Arbeitnehmer behauptet, der zwischen der Bekl. und der E GmbH vertraglich festgelegte Leistungsgegenstand sei derart unbestimmt, dass er erst durch die Weisungen der Bekl. konkretisiert werden müsse, und damit zum Ausdruck gebracht, der Inhalt der Vereinbarung zwischen der Bekl. und seiner Vertragsarbeitgeberin habe eine Arbeitnehmerüberlassung zum Gegenstand. Zudem hat er auf einen gegen die Bekl. verhängten Bußgeldbescheid des Hauptzollamts Darmstadt verwiesen, dem zufolge der Rahmenvertrag zwischen der Bekl. und seiner Vertragsarbeitgeberin Hinweise auf eine Arbeitnehmerüberlassung enthalte. Zu einem weitergehenden Tatsachenvortrag war der Kl. nicht in der Lage, weil ihm der konkrete Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen nicht bekannt war. Es wäre nunmehr im Wege der sekundären Darlegungslast Sache der Bekl. gewesen, dem entgegenzutreten und den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen darzulegen. Dies war nicht geschehen. Das BAG schlussfolgerte daraus: Ergibt bereits die Auslegung der ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen, dass das Rechtsverhältnis der kooperierenden Unternehmen als Arbeitnehmerüberlassung ausgestaltet ist, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, ohne dass es auf die praktische Handhabung der Vertragsbeziehung ankommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Entleiher das ihm übertragene Weisungsrecht gegenüber dem überlassenen Arbeitnehmer in der betrieblichen Praxis tatsächlich ausübt (vgl. BAG 20.9.2016 – 9 AZR 735/15, NZA 2017, 49 Rn. 46, BAG NZA 2024, 198 Rn. 18, beck-online).

Resümee

Beim Fremdpersonaleinsatz gilt es, sich jeweils und in jedem Einzelfall mit der Frage der Ausgestaltung auseinanderzusetzen und sicherzustellen, dass kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Auch während des Fremdpersonaleinsatzes besteht das Risiko im Rahmen einer schleichenden Eingliederung in die Fallkonstellation einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu kommen. Insbesondere bei häufigerem Fremdpersonaleinsatz sollte in Erwägung gezogen werden, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen und den Fremdpersonaleinsatz im Zweifel nach den Vorgaben des AÜG vorzunehmen, um auf der sicheren Seite zu sein.