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Übertragung von Geschäftsanteilen und Gewinnverteilung

Urteil vom 26.6.2023 – 12 U 23/23

Im Rahmen eines share deal müssen sich Käufer und Verkäufer standardmäßig mit der Frage auseinandersetzen, wie mit dem Gewinn des laufenden Jahres umgegangen werden soll. Soll dieser dem Käufer oder aber dem Verkäufer zustehen? Letztlich stellt sich diese Frage auch bei Übertragungen zum Ende des Geschäftsjahres, weil auch zu diesem Zeitpunkt über den Gewinn des abgelaufenen Jahres mangels vorliegendem Jahresabschluss noch nicht entschieden ist.

Gewinn soll dem Veräußerer zustehen

Soll der Gewinn noch dem Veräußerer zustehen, dann ist üblich, dass im Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag sinngemäß formuliert wird, dass „der Gewinn des laufenden Jahres dem Veräußerer zusteht.“

Problematisch ist dies für den Veräußerer zum einen deswegen, weil er auf die Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung mangels Gesellschafterstellung keinen Einfluss mehr nehmen kann und zum anderen schon deswegen, weil dies häufig zu dem praktischen Problem führt, dass der Veräußerer schon den Jahresabschluss nicht zur Verfügung gestellt bekommt.

Ein Veräußerer, dem im Anschluss mitgeteilt wird, dass die Gesellschafterversammlung entschieden hat, dass der Gewinn bspw. in die Rücklage eingestellt wird oder der Jahresabschluss einen Gewinn nicht ausgewiesen hat, hat ein fundamentales Interesse daran, den Jahresabschluss einzusehen, um ggfs. Schadensersatzansprüche gegen den Erwerber durchzusetzen.

Auskunftsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft

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Keine Irreführung durch Verwendung des Begriffs „Zentrum“ in Geschäftsbezeichnung

OLG Celle, Urt. v. 19.12.2023 – 13 U 26/23

Einleitung

Das OLG Celle hat kürzlich in zweiter Instanz zu der Frage der Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG durch Verwendung des Begriffs „Zentrum“ in einer Geschäftsbezeichnung, hier: durch einen Augenoptiker und Hörgeräteakustiker mit der Leuchtreklame-Aufschrift „Hörgeräte I Brillen * Zentrum * Hörgeräte I Brillen“ und im Internet mit der Bezeichnung „W. [Eigenname] Zentrum fürs Hören und Sehen“ zu verhalten (OLG Celle, Urt. v.19.12.2023 – 13 U 26/23).

Sachverhalt

Ein Augenoptiker und Hörgeräteakustiker bewarb sein Ladengeschäft mit der Leuchtreklame-Aufschrift „Hörgeräte I Brillen * Zentrum * Hörgeräte I Brillen“. Auf seiner Internet-website warb er mit der Bezeichnung „W. [Eigenname] Zentrum fürs Hören und Sehen“.

Ein Konkurrent störte sich daran und zog vor Gericht – mit dem Ziel, dass diese Art der Werbung unterlassen werden, da sie nach Überzeugung des besagten Konkurrenten wettbewerbsrechtlich irreführend sei. Das Landgericht gab dem Konkurrenten Recht (LG Hildesheim, Urt. 27.06.2023 – 6 O 68/23). Die Verwendung der Begriffe „Zentrum“ und „Spezialisten“ sei irreführend gemäß § 3, § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG, weil damit eine für die Nachfrageentscheidung der Werbeadressaten relevante unzutreffende Vorstellung über die besondere Größe und die besondere Qualifikation seines Geschäfts hervorrufen werde. Damit war das letzte Wort aber noch nicht gesprochen – der Fall landete beim OLG Celle (Urt. v. 19.12.2023 – 13 U 26/23).

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Legitimationswirkung der Gesellschafterliste unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben

OLG München, Beschl. v. 24.01.2024 – 23 U 9287/21

Nach Einführung der Regelungen zur Gesellschafterliste im Zuge des MoMiG kristallisierte sich zunächst eine recht formalisierte Betrachtungsweise heraus, die die Gesellschafterliste (§ 16 GmbHG) zum heiligen Gral stilisierte.

Inzwischen erfährt diese Betrachtungsweise zunehmend Brüche. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren zur Kenntnis genommen, dass damit treuwidrigem Verhalten von Gesellschaftern und Geschäftsführern Tür und Tor geöffnet wird, die die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste missbrauchen, um Fakten zu schaffen.

Formelle Legitimationswirkung der Gesellschafterliste nicht unbedingt

Es ist daher mittlerweile allgemein anerkannt, dass die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben steht.

Ein aktueller Beschluss des OLG München verdeutlicht dies einmal mehr (OLG München, Beschl. v. 24.01.2024 – 23 U 9287/21).

Entscheidung des OLG München zu Liquidationsbeschluss

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Vergütungsrechnungen in Textform

Die Anwaltsvergütung wird digital

Durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz (BGBl. I 2024, Nr. 234 vom 16.07.2024) wurde endlich das Schriftformerfordernis für Anwaltsrechnungen abgeschafft. Seit dem 17.07.2024 können daher Rechnungen für anwaltlichen Dienstleistungen in Textform versandt werden.

Berechnung nach § 10 Abs. 1 RVG

§ 10 Abs. 1 RVG lautet nunmehr: Der Rechtsanwalt kann die Vergütung nur aufgrund einer von ihm oder auf seine Veranlassung dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung fordern; die Berechnung bedarf der Textform.

Die Änderungen des Gesetzgebers tragen dem Wunsch der anwaltlichen Praxis Rechnung, die elektronische Übermittlung von Vergütungsberechnungen zu erleichtern. Derzeit erfordert dies den Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einer Einwilligung des Mandanten, was vielfach als nicht praxistauglich angesehen wird (BT-Drs. 20/10943).

Textform

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Neues zum Thema: klimaneutrale Werbung

BGH schafft Klarheit

Einleitung

DAS Werbe-Thema der Jahre 2023 und  2024 dürfte die Werbung mit Umweltaspekten sein. Es geht um Werbeaussagen wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“, „nachhaltig“ oder „Co2-neutral“. Über das Urteil des Oberlandesgericht Düsseldorf hatten wir schon berichtet; es hatte die Werbung mit dem Slogan „klimaneutral“, bzw. „Seit 2021 produziert Z. alle Produkte klimaneutral“ in einer Fachzeitschrift für zulässig erklärt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.07.2023 – 20 U 152/22). Der BGH hat diese Entscheidung nun kassiert und dabei die Gelegenheit genutzt, zumindest einzelne Leitlinien der Umweltwerbung zu betonen (BGH, Urt. v. 27.06.2024 – I ZR 98/23).

Sachverhalt

Die Beklagte hatte Süßigkeiten für den Endkunden hergestellt, die in Supermärkten etc. erhältlich waren. Sie warb in einer Zeitung damit, dass alle ihre Produkte klimaneutral hergestellt würden. In ihrer Anzeige warb sie unter anderem mit der Aussage „Seit 2021 produziert Z. alle Produkte klimaneutral“. Über einen QR-Code oder durch Eingabe die genannte Website von „ClimatePartner.com“ konnten nähere Information zur Behauptung der „Klimaneutralität“ abgerufen werden (aus der Zeitungsanzeige hingegen waren die Informationen selbst nicht ersichtlich). Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, hielt die Werbung für irreführend nach §§ 5 und 5a UWG und daher unlauter, weil die angesprochenen Verkehrskreise annehmen würden, der Herstellungsprozess selbst verlaufe emissionsfrei. Tatsächlich werde die Klimaneutralität aber allenfalls durch Kompensationszahlungen erreicht. Zumindest der Hinweis darauf, dass Klimaneutralität nur durch solche Kompensationszahlungen erreicht werde, müsse in der Werbung selbst erfolgen.

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Umgang um Fremdgeld

Urt. v. 8.11.2023 – AGH I EVY 4/2023

Unwissenheit schützt nur selten vor Strafe

Der AGH Hamburg (Urt. v. 8.11.2023 – AGH I EVY 4/2023) hatte einen eigentlich klar gelagerten Fall der fehlerhaften Weiterleitung von Fremdgeldern zu beurteilen.

Einem Rechtsanwalt ist vorgeworfen worden, seit 2012 in zwei Fällen gegen seine Berufspflicht zur gewissenhaften Berufsausübung nach § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO aF, § 4 Abs. 2 BORA (Nichtweiterleiten von Fremdgeldern) und § 23 BORA (Abrechnungsverhalten) verstoßen zu haben. Für seinen Mandanten erlangte er im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall eine Deckungszusage und stellte eine Vorschussrechnung, welche abzüglich der Selbstbeteiligung gezahlt wurde. Am Ende des Verfahrens zahlte die Versicherung des Unfallgegners ebenfalls Rechtsanwaltsgebühren an den Rechtsanwalt. Gleichwohl zahlte der Rechtsanwalt den Betrag nicht an die Versicherung und rechnete dieser gegenüber nicht ordnungsgemäß ab.

Zudem führt der Rechtsanwalt einen Rechtstreit und erhielt seine Vergütung von der Rechtsschutzversicherung. Sodann teilte dieser zwar mit, dass der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet worden war, zahlte aber die erhaltene Gerichtskostenerstattung nicht an diese aus und rechnete dieser gegenüber nicht ordnungsgemäß ab.

Fremdgeld, § 43a Abs. 7 BRAO

Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Er hat fremde Gelder nach § 43a Abs. 7 BRAO unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

Ergänzt wird dies durch § 4 Abs. 1 BORA: Fremdgelder und sonstige Vermögenswerte, insbesondere Wertpapiere und andere geldwerte Urkunden, sind unverzüglich an die Berechtigten weiterzuleiten. Solange dies nicht möglich ist, sind Fremdgelder auf Anderkonten zu verwalten; dies sind in der Regel Einzelanderkonten.

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Gewissenhaftigkeit des Steuerberaters

Problemfelder des Kanzlei-Alltags

Die in § 57 Abs. 1 StBerG skizzierte „gewissenhafte Berufsausübung“ wird durch § 4 BOStB konkretisiert. Danach sind Steuerberater verpflichtet, die für eine gewissenhafte Berufsausübung erforderlichen fachlichen, personellen und sonstigen organisatorischen Voraussetzungen zu gewährleisten. Nach Absatz 2 dürfen Steuerberater einen Auftrag nur annehmen und ausführen, wenn sie über die dafür erforderliche Sachkunde und die zur Bearbeitung erforderliche Zeit verfügen. Ergänzt wird dies noch durch die Regelungen zum Umgang mit Handakten (§ 66 StBerG) sowie Fremdgeld (§ 8 BOStB), der Auftragserfüllung (§ 13 BOStB) und der Auftragskündigung (§ 14 BOStB).

Gewissenhafte Berufsausübung

Dem Merkmal der Gewissenhaftigkeit wird in vielen Fällen keine eigenständige Bedeutung zukommen, da der Steuerberater zumeist bereits andere, speziellere Berufspflichten verletzt hat; der Tatbestand stellt daher lediglich eine Auffangnorm dar. In folgenden Fällen wurde eine andere Berufspflichtverletzung angenommen und gleichzeitig ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 StBerG i.V.m. § 4 BOStB unterstellt (nach Günther Berufsrecht der Steuerberater, NWB 2021):

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Bezeichnung „Pablo Escobar“ nicht EU-markenfähig

Markeneintragung

Sittenwidrigkeit von Marken

Einleitung

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat in einem vielbeachteten Verfahren entschieden, dass „Pablo Escobar“ nicht als Marke in der Europäischen Union eingetragen werden kann, weil der Name gegen die Ordre Public verstößt (Urt. v. 17.04.2024, Az. T-255/23).

Sachverhalt

Die Gesellschaft Escobar Inc. Meldete im Jahr 2021 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen „Pablo Escobar“ für unterschiedlichste Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an. Die Person mit dem Namen „Pablo Escobar“ ist (vermutlich weltweit) bekannt und wird mit dem Terroristen und Chef des Medellín-Drogen-Kartell assoziiert. Daher wurde die Anmeldung vom EUIPO mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Marke gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoße, und verwies dabei auf die Wahrnehmung der spanischen Verkehrskreise, weil diese wegen der Verbindungen zwischen Spanien und Kolumbien Pablo Escobar am besten kennen. Gegen diese Einschätzung ging die Gesellschaft vor – ohne Erfolg.

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(Un)Zulässigkeit einer Vermittlungsprovision

§ 49b Abs. 3 BRAO

Grenzen der Vermittlung von Mandaten

Eine unzulässige Vermittlungsprovision nach § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO liegt in der Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, vor. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist, in welcher Form der Vorteil gewährt wird (bspw. Zahlung von Provisionen, „Mengenrabatte“, teilweise kostenlose Tätigkeit), insbesondere muss dieser nicht aus den Beträgen herrühren, die dem Rechtsanwalt aus dem vermittelten Mandat zufließen. Ein Vorteil kann nicht nur in Zahlungen und einem Zahlungsverzicht liegen, sondern auch in geldwerten Sachleistungen, Gebrauchsüberlassungen, der Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen.

Vermittlung eines Mandates

Ein Mandat wird „vermittelt“, wenn sich die Gewährung oder die Entgegenahme des Vorteils und der beabsichtigte Abschluss eines Anwaltsvertrages wechselseitig bedingen. Alleine die „Chance“ auf ein Mandat stellt keine Vermittlung eines konkreten Mandates dar. So ist bspw. die an einen Hotline-Betreiber geleisteten Zahlungen der Anwälte für die Mandatsvermittlung seien vom einzelnen Mandatsvertrag unabhängig, also erfolgsunabhängig und kämen den übrigen für den Kanzleibetrieb geleisteten Fixkosten, etwa der Kanzleimiete gleich (BGH, Urteil vom 26.9.2002 – I ZR 44/00). Dies gilt auch für die Leistungen eines Internetauktionshauses oder einer Plattform für Terminvertretungen (BVerfG, Beschluss vom 19. 2. 2008 – 1 BvR 1886/06; OLG Karlsruhe, Urt. v. 5. 4. 2013 – 4 U 18/13).

Entscheidung des BGH

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Das Sylt-Video

Unterlassungsansprüche bei identifizierender Berichterstattung

Einleitung

Kürzlich kam es bundesweit zu Aufruhr, als ein auf Sylt gedrehtes Video publik wurde, in dem junge Menschen auf einer Party zur Melodie eines Liedes Parolen wie „Ausländer raus“ anstimmten. Das mediale und gesellschaftliche Interesse war groß – und so entschieden sich einzelne Medien, das besagte Video unverpixelt zu veröffentlichen. Dagegen wehrte sich eine Betroffene vor dem Landgericht München – mit Erfolg (LG München, Beschl. v. 12.06.2024, Az. 26 O 6325/24).

Sachverhalt

Der Sachverhalt dürfte noch ausführlich bekannt sein, daher hier nur eine kurze Zusammenfassung:

Einige junge Leute feierten in einem bekannten Club auf Sylt, wobei sie zu der Melodie des Liedes „L’armour toujours“ von Gigi d’Agostino den Gesang „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ anstimmten. Eine der Anwesenden filmte dies; kurz darauf geriet das Video ins Internet. Einzelne Medien veröffentlichten das Video sowie screenshots davon, auf denen die mutmaßlichen Beteiligten unter (teilweiser) Namensnennung zu erkennen waren. Dabei im Sichtfokus stand eine im unteren Vordergrund des Videos präsent erkennbare Frau. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens trug diese Frau vor, diese Art identifizierende Berichterstattung verletze ihre Persönlichkeitsrechte, weil eine sog. Prangerwirkung entstehe.

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