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Haftung des Steuerberaters bei der Sozialversicherungspflicht von Vergütungen aus Geschäftsführer-Dienstverträgen

Entscheidungsbesprechung zum Urteil des OLG Koblenz, Urt. v. 09.06.2022 – 2 U 530/21

Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern

Das Thema der Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern bleibt virulent und damit einhergehend auch die Frage der Haftung von Steuerberatern, die beispielsweise mit der Lohnbuchhaltung mandatiert sind. Angesichts von Nachzahlungsforderungen der Deutschen Rentenversicherung, die sich häufig in einer Größenordnung von 80-85.000,00 EUR bewegen, ist die Bereitschaft der Betroffenen, Haftungsprozesse gegen ihre Steuerberater zu führen, durchaus vorhanden.

Nun hat erneut ein Oberlandesgericht das Bestehen eines Schadensersatzanspruch gegen einen Steuerberater auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1, 675 BGB bejaht.

Entscheidung des OLG Koblenz, Urt. v. 09.06.2022 – 2 U 530/21

Der Entscheidung des OLG Koblenz lag der nachfolgend verkürzt dargestellte Sachverhalt zugrunde: 2013 gründeten drei Gesellschafter eine GmbH, an der sie zu gleichen Teilen beteiligt waren. Beschlussfassungen sollten nach dem Gesellschaftsvertrag mit einfacher Mehrheit erfolgen. Alle drei Gesellschafter wurden zugleich zu Geschäftsführern bestellt. Der mandatierte Steuerberater fertigte Entwürfe der Dienstverträge und übernahm die Lohnbuchhaltung der GmbH. Für die Gesellschafter-Geschäftsführer wurden nachfolgend keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung erfolgte eine Einordnung als abhängig Beschäftigte. Es sollten Sozialversicherungsbeträge in Höhe von EUR 258.325,55 abgeführt werden. Ein Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg (OLG Koblenz, Urt. v. 09.06.2022 – 2 U 530/21).

Das OLG Koblenz hat eine Schadensersatzpflicht des Steuerberaters angenommen und zur Begründung ausgeführt, dass im Rahmen der Lohnbuchhaltung zwar grundsätzlich keine sozialversicherungsrechtliche Beratung geschuldet sei, allerdings der steuerliche Berater durchaus zu prüfen hat, ob eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht vorliegt, wenn er die Lohnbuchhaltung übernimmt, jedenfalls aber bei Unklarheiten auf die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung oder die mögliche Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens hinzuweisen hat.

Nachdem der Steuerberater hier Kenntnis von den Regelungen des Gesellschaftsvertrags und den Beschlussmehrheiten hatte, hätten sich zumindest Zweifel an der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht einstellen müssen, so das OLG Koblenz. Dabei spielte es für das Gericht auch keine Rolle, dass zum damaligen Zeitpunkt, bei Übernahme der Lohnbuchhaltung, das BSG seine „Kopf- und Seele“-Rechtsprechung noch nicht kassiert hatte. Denn in der Tat musste es auch 2013 schon ein Problembewusstsein für die Geschäftsführer-Stellung von Minderheitsgesellschaftern ohne Sperrminorität geben. Darauf weist dann auch das OLG Koblenz hin, wenn es ausführt: „Der Gesellschaftsvertrag, der ihr unstreitig übersandt worden war, wies gerade keine Sperrminorität auf, was bedeutet, dass ein Gesellschafter eine Beschlussfassung gegen seinen Willen nicht verhindern konnte. Für derartige Sachverhalte gab es bereits zum Zeitpunkt der Übernahme der Lohnbuchhaltung Rechtsprechung des BSG, nach der auch ein Geschäftsführer als sozialversicherungspflichtig einzuordnen ist und dem nicht entgegensteht, dass er möglicherweise Arbeitgeberfunktionen ausübt“, OLG Koblenz, Urt. v. 09.06.2022 – 2 U 530/21.

Resümee

Die Entscheidung des OLG Koblenz ist wenig überraschend. Die Gerichte sehen die Steuerberater hier in einer Bringschuld, obwohl sie ihnen eigentlich bescheinigen, keine sozialversicherungsrechtliche Beratung zu schulden. Es geht schlicht nur um die Hinweispflichten und damit das Bedürfnis nach einem vorhandenen Problembewusstsein beim Berater. Ob Steuerberater verpflichtet sind, die BSG-Rechtsprechung im Einzelnen zu kennen, ist übrigens umstritten, worauf das OLG Koblenz ebenfalls hinweist (OLG Koblenz, Urt. v. 09.06.2022 – 2 U 530/21).

Eine ähnliche Entscheidung erging auch vom OLG Hamm (Urt. v. 08.04.2022 – 25 U 42/20). Den Blogbeitrag dazu finden Sie hier.