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Zum Anspruch auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung

Entscheidung des BGH vom 06.12.2022 – II ZR 187/22

Satzungsänderungsanspruch

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob es im Rahmen des Schadensersatzes einen Anspruch darauf gibt, dass eine Satzung wieder in ihre ursprüngliche Fassung geändert wird und hat dies grundsätzlich bejaht, soweit nicht schutzwürdige Rechte Dritter entgegenstehen (BGH, Urt. v. 06.12.2022 – II ZR 187/22).

Sachverhalt der Entscheidung des BGH

Ausgangspunkt der aktuellen Entscheidung des BGH war eine Satzungsänderung, die beschlossen wurde zu einem Zeitpunkt, zu dem streitig war, wer Gesellschafter einer zweigliedrigen GmbH war. Die Gesellschafterliste wies im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Versammlung nur eine GmbH als Gesellschafterin der Geschäftsanteile 1 und 2 aus. Hinsichtlich des Geschäftsanteils Nr. 1 war der Gesellschafterliste ein Widerspruch zugeordnet. Die ausweislich der Gesellschafterliste alleinige Gesellschafterin beschloss, dass das Quorum für die Beschlussfähigkeit der Gesellschaft von 75% auf 85% angehoben wird und Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einer Mehrheit von 85% zu fassen sind. Für die Versammlungsleitung wurde beschlossen, dass der Versammlungsleiter nicht mehrheitlich gewählt, sondern stattdessen die Versammlungsleitung dem einladenden Gesellschafter oder Geschäftsführer obliegt (BGH, Urt. v. 06.12.2022 – II ZR 187/22). Die Satzungsänderungen wurden dann ins Handelsregister eingetragen. Im Anschluss wurde zu Gunsten der Klägerin rechtskräftig festgestellt, dass sie Inhaberin des Geschäftsanteils mit der Nummer 1 ist. Eine neue Gesellschafterliste wurde aufgenommen. Eine Beschlussmängelklage gegen die vorstehenden Satzungsänderungen blieb dann aber gleichwohl erfolglos. Die Klägerin verlangte sodann die Zustimmung der Beklagten, als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 2, zur Rückänderung der Satzung in den Status vor den streitgegenständlichen Beschlüssen zur Satzungsänderung (BGH, Urt. v. 06.12.2022 – II ZR 187/22). Dem gab der BGH statt.

Erfordernis einer vorherigen Gesellschafterversammlung?

Die Klägerin hatte ihre Klage eingereicht, ohne zuvor im Rahmen einer Gesellschafterversammlung versucht zu haben, von der Beklagten die Zustimmung einzuholen. Die ansonsten stets erforderliche Willensbildung des Organs fehlte also. Der BGH bejahte trotzdem ein bestehendes Rechtschutzbedürfnis.

Anspruch nach § 826 BGB

Der BGH sah die Voraussetzungen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung als erfüllt an. Ein Schädigungsvorsatz wurde aus dem Inhalt des satzungsändernden Beschlusses abgeleitet (BGH, Urt. v. 06.12.2022 – II ZR 187/22). Die Beklagte habe ihre formale Stellung als Alleingesellschafterin ausgenutzt, obschon die Klägerin aufgrund des zugeordneten Widerspruchs darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte sich nicht als Alleingesellschafterin gerieren wird und diese Position in der Gesellschafterliste ausnutzen wird. In sittenwidriger Weise wurde dieses Vertrauen enttäuscht, so der BGH (BGH, Urt. v. 06.12.2022 – II ZR 187/22), der die Sittenwidrigkeit auch wegen eines weiteren Aspekts bejahte: Es wurden zu dem Zeitpunkt Vergleichsgespräche zwischen Klägerin und Beklagter geführt, bei denen die Beklagte erklärt hatte, dass sie den streitbefangenen Geschäftsanteil nicht abtreten oder belasten würde. In aller Deutlichkeit heißt es in der BGH-Entscheidung: „Die Beklagte hat mit der Satzungsänderung eigensüchtig Fakten gerade für den Fall schaffen wollen und geschaffen, dass ihr der streitbefangene Geschäftsanteil nicht gehört“ (BGH, Urt. v. 06.12.2022 – II ZR 187/22).

Den Anspruch nach § 826 BGB ließ der BGH auch nicht an dem Umstand scheitern, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht in der Liste eingetragen gewesen sei, denn diese entfalte nur formelle Legitimationswirkung und ändert nichts an dem Rechtsschutz aufgrund der materiellen Gesellschafterstellung vor sittenwidriger Schädigung durch Mitgesellschafter (BGH, Urt. v. 06.12.2022 – II ZR 187/22).

Resümee

Spannend ist diese Entscheidung deswegen, weil sie aufzeigt, dass ungeachtet der Regelung nach § 242 Abs. 2 AktG gestützt auf § 826 BGB eine Rückabwicklung nichtiger Beschlussfassungen denkbar ist, wenngleich die Entscheidung nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass der Anwendungsbereich hierfür eng unbegrenzt und die Voraussetzungen hoch sind.