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„Klimaneutrale“ Werbung

Wann ist die Werbung mit dem Slogan „klimaneutral“ erlaubt?

Wenn es darum geht, seine Produkte und/oder Dienstleistungen effektiv zu bewerben, greifen viele Unternehmen dazu, deren positive Effekte auf die Umwelt hervorzuheben. Vielleicht am regelmäßigsten anzutreffen ist die Wendung „klimaneutral“. Nicht nur „sex sells“, sondern auch „environmentfriendlyness sells“.

Was verlangt der Bundesgerichtshof?

Die bis heute im Grundsatz gültigen Anforderungen, denen umweltbezogene Werbung generell gerecht werden muss, hat der Bundesgerichtshof (GRUR 1991, 546, 547) schon vor geraumer Zeit festgelegt: Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen sei ähnlich wie die Gesundheitswerbung grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und schutzbedürftigen Gutes habe sich in den letzten Jahren zunehmend ein verstärktes Umweltbewusstsein entwickelt, das dazu geführt hat, dass der Verkehr vielfach Waren (oder Leistungen) bevorzugt, auf deren besondere Umweltverträglichkeit hingewiesen wird. Unklarheiten bestünden insbesondere über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe – wie etwa „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“ oder „bio–‚‘‘ sowie der hierauf hindeutenden Zeichen. Eine Irreführungsgefahr sei daher in diesem Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß. Die beworbenen Produkte seien überdies regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender (weniger umweltstörender) als andere Waren. Daher bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise seien daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, bestehe in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden würden.

Unterm Strich: Der BGH verlangt sehr viel!

Wie versteht der Adressat/Verbraucher den Begriff „klimaneutral“?

Unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung hatten mehrere Oberlandesgerichte den Begriff „klimaneutral“ einzuordnen. Man könnte ja – so wie manche Landgerichte – einerseits an die absolute Emissionseinsparung, andererseits an deren Kompensation durch Ausgleichsmaßnahmen, also eine bilanzielle Betrachtung abstellen. Im Wesentlichen sind sich die OLGs (OLG Schleswig, Urteil vom 28.07.2022 – I ZR 205/20; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.08.2022 – 25 W (pat)) darüber einig, dass Adressaten die Werbung (mittlerweile) so verstehen, dass bilanziell das Produkt oder die Dienstleistung klimaneutral ist. Beim Begriff „klimafreundlich“ sieht es schonwieder anders aus (s. dazu bspw. BGH, Urteil vom 20.10.1988 – I ZR 219/87).

Bedarf es weiterer Erläuterungen oder Hinweise?

Ja. Nach dem OLG Schleswig (Urteil vom 28.07.2022 – I ZR 205/20) bedarf es zwar weitergehender Hinweise bzgl. der Klimaneutralität. Es reiche aber aus, dass ein Verweis diese kenntlich macht; das Produkt selbst müsse nicht damit versehen werden.

Nach einem Beschluss vom OLG Frankfurt a. M. (Beschluss vom 19.08.2022 – 25 W (pat) reiche es aus, wenn durch Anklicken eines auf dem Produkt vorhandenen Logos weitere Erläuterungen einsehbar werden.

Hinsichtlich des Umfanges der Erläuterungen hätte im konkreten Fall auch darauf hingewiesen werden müssen, welche Prüfkriterien einem Gütesiegel zugrunde lägen. So sei eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen beziehungsweise durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werde. Es sei eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden. Ferner müssten Informationen bereitgestellt werden, anhand welcher Kriterien die Prüfung für das Gütesiegel erfolgt ist, so das OLG Frankfurt (a.a.O.).

Resümee

„Klimaneutrale“ Werbung ist grundsätzlich erlaubt – entscheidend sind die Details. Die Oberlandesgerichte lassen es genügen, dass der Adressat eine bilanzielle Betrachtung des Begriffs „klimaneutral“ vornimmt. Es bedarf allerdings der weiteren Erläuterung darüber, wie die Modalitäten der Erreichung dieser Klimaneutralität aussehen. Der Umfang ist dabei einzelfallabhängig. Fehlen solche Angaben, kann unlautere Werbung vorliegen und eine Abmahnung wegen irreführender Werbung (durch Unterlassen) gemäß § 5 bzw. § 5a UWG zur Konsequenz haben.