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Klagebefugnis von Wettbewerbsverbänden

Steht die Verbandsstruktur mit vielen passiven Mitgliedern der Klagebefugnis entgegen?

Der BGH hat sich kürzlich damit beschäftigt, ob eine deutlich überwiegende Anzahl an passiven Mitgliedern in einem Wettbewerbsverband der Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (alte Fassung – „aF“) entgegensteht (BGH, Urt. v. 26.01.2023 – I ZR 111/22). Dies sei grundsätzlich nicht der Fall. Mit der Frage der Klagebefugnis einher geht die Frage des Rechtsmissbrauchs.

Sachverhalt: Rechtsverfolgung wegen unlauterer Preiswerbung

Der Kläger war ein Verein, der die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler verfolgt (angebliche Mitgliederzahl über ca. 2750, davon 20 in der Branche „Tierhandel“). Nur 43 der etwa 2750 Mitgliedern waren intern stimmberechtigt, der „Rest“ passive Mitglieder ohne Stimmberechtigung. Die Beklagte verkaufte u.a. Katzenfutter über Online-Marktplätze. Das Futter bot sie an, ohne neben dem Gesamtpreis einen Grundpreis anzugeben. Der Kläger hat die Beklagte wegen Verstoßes gegen §§ § 3, 3a, 5, 5a UWG i.V.m. § 2 Preisangabenverordnung auf Unterlassung in Anspruch genommen – letztlich erfolgreich.

Spricht die Mitgliederstruktur gegen Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 UWG?

Die Beklagte hatte sich insb. mit dem Argument verteidigt, der klagende Verein sei gar nicht aktivlegitimiert. Er handele rechtsmissbräuchlich: Seine Tätigkeit liege allein darin, durch Abmahnen der Industrie Gewinne zu erzielen. Kaum ein Mitglied sei in derselben Branche tätig wie die Beklagte; sie hätten keine Marktbedeutung. Manche Mitgliedschaften seien erzwungen worden. Wettbewerbsverstöße eigener Mitglieder verfolge der Kläger nicht.

Der BGH stellte fest, dass der Klagebefugnis § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (aF) ihre Mitgliederstruktur nicht entgegen stehe. eine deutlich überwiegende Anzahl von passiven Mitgliedern stehe der Klagebefugnis nicht entgegen. Es komme grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte dessen – mittelbare oder unmittelbare – Mitglieder verfügen. Wie bei mittelbaren Mitgliedern komme es auch bei unmittelbaren Mitgliedern auf deren Stimmberechtigung nur an, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihre Mitgliedschaft allein bezweckt, dem Verband die Klagebefugnis zu verschaffen (so u.a. schon BGH GRUR 2006, 873).

Liegt Rechtsmissbrauch vor?

Die Anspruchsgeltendmachung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Die von der Beklagten ins Feld geführten Argumente ließ der BGH nicht ausreichen:

  • Erstens sei kein vorwerfbares Gebührenerzielungsinteresse erkennbar, (nur) weil der Kläger eine Vielzahl von Abmahnungen versende und nach Erhebungen im Jahr 2017 für 22 % und im Jahr 2019 für 23 % aller Abmahnungen in Deutschland verantwortlich gewesen sein soll.
  • Zweitens biete die Streitwertangabe von EUR 10.000,00 kein Indiz für Rechtsmissbrauch, da sie nicht unangemessen hoch sei.
  • Drittens fehle es für eine systematische Verschonung der eigenen Mitglieder des Klägers bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, aus der sich ein Rechtsmissbrauch ergeben könnte, an Vortrag der Beklagten. Es sei grundsätzlich nicht verboten sei, nur gegen bestimmte Verletzer vorzugehen. Hier habe die Beklagte nicht hinreichend Indizien vorgetragen

Resümee

Der BGH bestätigt erneut: An eine erfolgreiche Verteidigung gegen Wettbewerbsverbände unter Hinweis auf fehlende Klagebefugnis und Rechtsmissbrauch sind hohe tatsächliche und rechtliche Anforderungen zu stellen. Mangels umfassender Kenntnis über Handlungen des jeweiligen Verbandes ist es dabei vor allem schwierig, genügend tatsächliche Indizien ausführlich vortragen zu können. Der Nachweis einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen durch einen Wettbewerbsverband nach Verstößen gegen das UWG ist damit die absolute Ausnahme. Obwohl die Klagebefugnis von Wettbewerbsverbänden seit der neusten Gesetzesänderung nun über ein Listensystem läuft (§ 8b UWG), hat die Entscheidung des BGH jedenfalls für anhängige Altfälle sowie zum Thema Rechtsmissbrauch weiterhin Bedeutung.