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Originäre Geschäftsführer Haftung im Spannungsverhältnis zu vertraglichen Schadensersatzansprüchen

– oder wann haftet der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG?

Gegenstand der Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG

„Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.“ So einfach und klar ist die Regelung des § 43 Abs. 2 GmbHG, die der Gesellschaft zugleich als Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dient.

Entscheidung des OLG Zweibrücken v. 18.08.2022 – 4 U 198/21 zum Spannungsverhältnis der Anspruchsgrundlagen für die Geschäftsführer Haftung

Eine aktuelle Entscheidung des OLG Zweibrücken v. 18.08.2022 – 4 U 198/21 veranlasst dazu, das Verhältnis der Anspruchsgrundlage aus dem GmbHG zu der klassischen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage des § 280 Abs. 1 BGB zu beleuchten, wobei sich das Gericht sodann auch noch mit den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleich auseinandergesetzt hat.

Der streitgegenständliche Sachverhalt lag wie folgt: Die Fremdgeschäftsführerin einer GmbH war auf sog. Phishing Mails hereingefallen, die aber für sie authentisch schienen und hatte eine größere Summe auf die Zahlungsaufforderungen überwiesen. Die Gesellschaft verlangte Schadensersatz in Höhe von 83.960 US Dollar.

Sie unterlag mit ihrer Forderung in erster (LG Frankenthal) und zweiter Instanz und zwar mit der folgenden Begründung:

Fehlender Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG

Nach Auffassung des OLG Zweibrücken lässt sich ein Anspruch nur dann auf § 43 Abs. 2 GmbHG stützen, wenn die Verletzung organschaftlicher Pflichten Gegenstand des Vorwurfs ist. Dies war nicht der Fall, denn auch ein Dritter hätte die als Pflichtverletzung klassifizierte Handlung, hier die Überweisung der Summen vornehmen können. Das Gericht hat sich insoweit der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum angeschlossen, wonach für Tätigkeiten, die lediglich bei Gelegenheit der Geschäftsführung vorgenommen werden (zB das Fahren eines Geschäfts-Pkw), der Pflichten-, Sorgfalts- und Haftungsmaßstab aus den allgemeinen Regeln gilt. Das Verhalten des Geschäftsführers ist in solchen Fällen „an §§ 280 ff., 823 BGB und am Sorgfaltsmaßstab des § 276 II BGB zu messen“, OLG Zweibrücken, Urt. v. 18.08.2022 – 4 U 198/21. Auch hier hätte die Überweisung in gleicher Weise von der Buchhaltung des Unternehmens veranlasst werden können, weswegen eine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG ausschied.

Fehlender Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB

Auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB sah das OLG Zweibrücken nicht als erfüllt an. Dabei stützte sich das Gericht auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, wie sie aus dem Arbeitsrecht bekannt sind. Anerkanntermaßen finden diese zwar keine Anwendung bei organschaftlichen Pflichtverletzungen, also wiederum im Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 GmbHG, Ausnahmen könne es aber da geben, wo der Geschäftsführer, so führt es das Gericht aus, wie jeder Dritte am Rechtsverkehr teilnimmt, OLG Zweibrücken, Urt. v. 18.08.2022 – 4 U 198/21. In diesen Fällen sei eine analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur innerbetrieblichen Schadensteilung je nach Umständen des Einzelfalls möglich, die umso eher ausscheidet, je autonomer der Geschäftsführer handeln kann, und umso mehr in Betracht kommt, je mehr er in seinem Handeln – etwa als Geschäftsführer einer konzernabhängigen GmbH – gebunden ist, OLG Zweibrücken, Urt. v. 18.08.2022 – 4 U 198/21. Das Gericht verweist exemplarisch auf die Beschädigung eines gesellschaftseigenen Dienstwagens durch den Geschäftsführer, wobei hier das OLG Koblenz im Jahr 1999 noch zu einer anderen Auffassung gelangt ist, OLG Koblenz NJW-RR 1999, 911.

Im Ergebnis sprach hier für die Beklagte, dass die E-Mail Adresse eines langjährigen Geschäftspartners verwandt worden ist, die lediglich minimal abgeändert worden war, was bei erstem Blick nicht unbedingt festzustellen war. Die übersandten Rechnungen waren plausibel sowohl nach Art der Darstellung als auch in der Höhe. Es gab jeweils eine Bezugnahme auf die Vorkorrespondenz. Die Beklagte hatte daher nach Ansicht des Gerichts nur leicht fahrlässig gehandelt, OLG Zweibrücken, Urt. v. 18.08.2022 – 4 U 198/21.

Resümee

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass sich die schematische Kategorisierung von Schadensersatzansprüchen gegen Geschäftsführer verbietet. § 43 Abs. 2 GmbHG ist eben nicht automatisch die richtige Anspruchsgrundlage und wenn es nicht um die Verletzung originär organschaftlicher Pflichten geht, dann kann jedenfalls aus der Perspektive des Fremdgeschäftsführers durchaus die Brücke zum Arbeitsrecht geschlagen werden und auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs verwiesen werden.