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Ausnahme vom Leiterfordernis der weiteren Beratungsstelle

Leiterfordernis der weiteren Beratungsstelle durch den Steuerberater

Neben der von einem Steuerberater und Steuerbevollmächtigte zu gründen beruflichen Hauptniederlassung (§ 34 Abs. 1 StBerG) steht es Ihnen frei, weitere Beratungsstellen an einem beliebigen Ort gem. § 34 Abs. 2 S. 2 StBerG zu unterhalten. Leiter einer solchen Beratungsstelle muss ein anderer Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter sein. Das Leiterfordernis beruht auf den Erwägungen, dass eine doppelte Belastung durch die gleichzeitige Leistung der Hauptniederlassung und einer auswärtigen Beratungsstelle eine abstrakte Gefahr für die gewissenhaft Berufsausübung des Steuerberaters bedeuten kann. Von diesem Erfordernis kann jedoch gem. § 43 Abs. 2 S. 4 eine Ausnahme gemacht werden. Anhaltspunkt für eine solche Ausnahme bietet der § 11 Abs. 3 BOStB.

Entscheidung des OVG NRW vom 29.11.2022, Az. 4 A 2856/18

Der Entscheidung lag folgender verkürzt dargestellt Sachverhalt zugrunde: Dem Berufsträger wurden für die Jahre 2010 bis 2014 eine entsprechende Ausnahmegenehmigung von einem anderen Kammerbezirk erteilt. Für die Folgejahre 2015-2017 erteilte die neue Kammer/Beklagte ebenfalls eine Zustimmung. Ein drauffolgender Antrag wurde von der Kammer aus dem Grund verwehrt, dass die Voraussetzung für eine Ausnahme bzw. Verlängerung das Vorliegen einer atypischen Situation sei. Diese Voraussetzung wird in die „Kann-Bestimmung“ in Verbindung mit dem Begriff der „Ausnahme“ hineingelesen (§ 34 Abs. 4 StBerG) und deutet auf ein Befreiungsermessen der zuständigen Behörde in atypischen Situationen hin.

Das OVG NRW sah dies zu Recht anderes. Die Grundalge des Leiterfordernis aus § 34 Abs. 2 StBerG ist wie bereits dargestellt die Abwendung der abstrakten Gefahr für die gewissenhafte der Berufsausübung. Im Berufsrecht der Steuerberater sei aber gerade aufgrund des § 50 Abs. 1S. 2 StBerG (sowie § 55e StBerG n.F.) eine nicht so strenge Betrachtungsweise bei der Beurteilung einer solchen Ausnahme vorzunehmen.

Eine Ausnahme des Leiterfordernis kommt demnach in Betracht, wenn die unterstellte abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung von Berufspflicht im Einzelfall „begründet“ widerlegt werden kann (vgl. BT-Drs. 14/2667, S. 30). Auf eine atypische Situation komme es nicht an. Ein Ermessenspielraum steht der Behörde nicht mehr zu, wenn sich die Befreiung aus den Kriterien des § 10 Abs. 3 BOStB ergibt. Die Formulierung „kann“ des § 34 Abs. 2 S. 2 beinhaltet eine Handlungsermächtigung keinen Beurteilungsspielraum (vgl. zur vergleichbaren Regelungstechnik in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 StBerG i.V.m. § 16 BOStB bzgl. der unvereinbaren Tätigkeiten: BVerwG, Urteil v. 26.9.2012 – 8 C 6.12). Überdies kann der Steuerberater auch weiter Kriterien (Stichwort „Überdies“) unabhängig vom § 10 Abs. 3 BOStB darlegen, um eine Ausnahmegenehmigung zu verlangen. Allerdings obliegt ihm dann die volle Beweislast, dass keine konkrete Gefahr für seine Berufsausübung besteht.

Eine andere Wertung kann sich zudem nicht aus § 47 WPO ergeben, da sich aus § 47 WPO keine formalgesetzliche Konkretisierung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung entnehmen lässt. Überdies steht der Steuerberaterkammer ein Ermessen zu, mit dem sie der gesetzlich vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen zulässigem Regelzustand uns rechtfertigungsbedürftiger Ausnahme Rechnung trägt.

Resümee

Schlussendlich besteht ein gebundener Anspruch der Steuerberater auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung für eine weitere Beratungsstelle, sofern die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BOStB erfüllt sind. Eine Genehmigung ist mithin zu erteilen, wenn die Steuerberaterkammer keine Gefährdung für Rechtsuchende nachweisen kann. Ermessen steht der Steuerberaterkammer nur dahingehend zu, dass sie über die Länge der Befristung der Ausnahmegenehmigung und ihre Verbindung mit Auflagen entscheiden darf.