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Vergütung von Überstunden

Zur Entscheidung des LAG Düsseldorf v. 23.09.2020 – 14 Sa 296/20

Die Frage der Vergütung von Überstunden ist und bleibt ein konfliktbehaftetes Thema. Das LAG Düsseldorf hat sich in seiner Entscheidung aus dem September 2020 sehr dezidiert mit zwei wesentlichen Fragestellungen auseinandergesetzt: Wann gilt eine Vergütung nach § 612 BGB als stillschweigend vereinbart und wie verhält sich dies insbesondere im Kontext von Beschäftigungsverhältnissen, bei denen der Arbeitnehmer über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung verdient.

Zum Sachverhalt

Der Kläger war als Gebietsverkaufsleiter bei der Beklagten tätig. Die Beklagte betreibt Autowerkstätten. Das monatliche Bruttogehalt des Klägers betrug EUR 6.657,08 für 40 Wochenstunden. Zusätzlich erhielt er eine jährliche Prämie und ihm war ein Dienstwagen auch zur Privatnutzung überlassen. Arbeitsvertraglich war vereinbart, dass etwaige gelegentliche Mehrarbeit mit dem Gehalt abgegolten ist. Der Kläger betreute 12 Filialen der Beklagten. Er erfasste seine wöchentliche Arbeitszeit in einem Programm der Beklagten. Wöchentlich seien seine erfassten Daten dem Regionalleiter und der Zentrale übermittelt worden. Für einen Zeitraum von drei Jahren beanspruchte er nun die Vergütung von rund 3.000 Überstunden auf Basis einer konkludenten Anordnung der Überstunden (Sachverhalt nach LAG Düsseldorf NZA-RR 2021, 121).

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf

Abgrenzung nach § 3 ArbZG

Das LAG Düsseldorf hat für den klägerischen Anspruch eine Abgrenzung nach § 3 ArbZG vorgenommen. Für die Zeiten, bei denen die gesetzlich zulässige Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz überschritten wurde, hat es dem Kläger einen Anspruch auf Überstundenvergütung nach §§ 612, 421 BGB zugebilligt.

Im Übrigen nicht.

Das LAG hat einen Anspruch dem Grunde nach bereits deswegen bejaht, weil es die Abgeltungsklausel im Arbeitsvertrag als intransparent einordnete. Das LAG hat dabei auf die ständige Rspr. des BAG verwiesen, wonach eine solche Klausel nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem Umfang von ihr erfasst werden sollen (BAG v. 01.09.2010 – 5 AZR 517/09). Hier sei schon unklar, was „etwaige“ Mehrarbeit sein solle. Auch lasse sich der Klausel keine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen. Es spreche vielmehr einiges dafür, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit möglich sein soll (LAG Düsseldorf NZA-RR 2021, 122). Wenn dann aber die Abgeltungsklausel unwirksam ist, fehlt es an einer Vereinbarung zur Vergütung von Überstunden, so dass der Anwendungsbereich des § 612 BGB eröffnet ist. Die danach erforderliche Vergütungserwartung fehlt aber u.a. dann, wenn eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird (BAG v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10).

Beitragsbemessungsgrenze als limitierender Faktor

Dies ist üblicherweise dann anzunehmen, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Die Grenze von EUR 6.700,00 wurde zwar hier vom Kläger knapp unterschritten; war aber unter Berücksichtigung der Prämie und des Pkw mindestens erreicht. Damit war dem Kläger bis zum Erreichen der 48-Stunden Grenze eine Vergütungserwartung nach § 612 BGB abzusprechen. Allerdings, so führt es das LAG aus: „Der Kläger musste zwar erwarten, dass er für die vereinbarte vergleichsweise hohe Vergütung Überstunden leisten musste, ohne hierfür eine gesonderte Vergütung zu erhalten, er durfte aber erwarten, dass die Gegenleistung für die vereinbarte Vergütung maximal die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit ist“ (LAG Düsseldorf, NZA-RR 2021, 121, 124).

Bewertung

Die Entscheidung ist deswegen so bedeutsam, weil damit eine klare Obergrenze für Abgeltungsklauseln definiert wird, nämlich nach Maßgabe des ArbZG, das grds. nicht vergütungsrelevant ist. Gerade in Führungspositionen fallen nicht selten Überstunden in einem Maß an, das die Vorgaben des ArbZG überschreitet, so dass denkbar wäre, dass auf Grundlage dieser Entscheidung das Streitpotential für Überstundenvergütungen zunimmt.