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Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung

Risiken des Fremdpersonaleinsatzes

Die Ausgangskonstellation ist stets dieselbe: Der Arbeitnehmer eines Unternehmens wird im Rahmen des Fremdpersonaleinsatzes bei einem anderen Unternehmen tätig. Die Unternehmen schließen hierüber zumeist einen Dienst- oder einen Werkvertrag. Tatsächlich zeigt sich dann, dass es sich bei dem Fremdpersonaleinsatz um einen Fall verdeckter Arbeitnehmerüberlassung handelt, weil das den Arbeitnehmer zur Verfügung stellende Unternehmen weder über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt, noch der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer überlassen worden ist.

Risiken auf Ebene des „Verleihers“?

Risiken aus der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung ergeben sich sowohl für Verleiher als auch für Entleiher.

Für den Verleiher besteht in erster Linie das Risiko einer Geldbuße bis zu EUR 30.000,00 nach § 16 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1c, Nr. 1d AÜG. Außerdem kann der Leiharbeitnehmer im Fall der Unwirksamkeit des Vertrages mit dem Verleiher nach § 9 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut.

Risiken auf Ebene des „Entleihers“?

Nach § 10 Abs. 1 AÜG kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 I 5 und 6 AÜG nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist (§ 9 I Nr. 1a Hs. 1 AÜG), (BAG NZA 2024, 198 Rn. 12, beck-online). Der Arbeitnehmer kann also auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses klagen.

Wann liegt eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor?

Immer dann, wenn die Unternehmen einen Fremdpersonaleinsatz nicht auf Basis des AÜG vereinbaren, sich dann aber zeigt, dass der im Rahmen des Fremdpersonaleinsatzes tätige Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, (BAG NZA 2024, 198 Rn. 14, beck-online). Das BAG hatte jüngst Anlass, sich in diesem Zusammenhang mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast auseinanderzusetzen und hat hierzu festgehalten, dass, wie auch sonst im Arbeitsrecht, bei Widerspruch zwischen rechtlicher Einordnung und tatsächlicher Durchführung letztere maßgeblich ist. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitsverhältnis gem. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG kraft Gesetzes begründet wird. Kann er die erforderlichen Tatsachen nicht vortragen, weil er außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, greifen zu seinen Gunsten die Erleichterungen der sekundären Darlegungslast ein (BAG NZA 2024, 198, beck-online). In dem konkreten Fall hatte der auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses klagende Arbeitnehmer behauptet, der zwischen der Bekl. und der E GmbH vertraglich festgelegte Leistungsgegenstand sei derart unbestimmt, dass er erst durch die Weisungen der Bekl. konkretisiert werden müsse, und damit zum Ausdruck gebracht, der Inhalt der Vereinbarung zwischen der Bekl. und seiner Vertragsarbeitgeberin habe eine Arbeitnehmerüberlassung zum Gegenstand. Zudem hat er auf einen gegen die Bekl. verhängten Bußgeldbescheid des Hauptzollamts Darmstadt verwiesen, dem zufolge der Rahmenvertrag zwischen der Bekl. und seiner Vertragsarbeitgeberin Hinweise auf eine Arbeitnehmerüberlassung enthalte. Zu einem weitergehenden Tatsachenvortrag war der Kl. nicht in der Lage, weil ihm der konkrete Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen nicht bekannt war. Es wäre nunmehr im Wege der sekundären Darlegungslast Sache der Bekl. gewesen, dem entgegenzutreten und den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen darzulegen. Dies war nicht geschehen. Das BAG schlussfolgerte daraus: Ergibt bereits die Auslegung der ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen, dass das Rechtsverhältnis der kooperierenden Unternehmen als Arbeitnehmerüberlassung ausgestaltet ist, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, ohne dass es auf die praktische Handhabung der Vertragsbeziehung ankommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Entleiher das ihm übertragene Weisungsrecht gegenüber dem überlassenen Arbeitnehmer in der betrieblichen Praxis tatsächlich ausübt (vgl. BAG 20.9.2016 – 9 AZR 735/15, NZA 2017, 49 Rn. 46, BAG NZA 2024, 198 Rn. 18, beck-online).

Resümee

Beim Fremdpersonaleinsatz gilt es, sich jeweils und in jedem Einzelfall mit der Frage der Ausgestaltung auseinanderzusetzen und sicherzustellen, dass kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Auch während des Fremdpersonaleinsatzes besteht das Risiko im Rahmen einer schleichenden Eingliederung in die Fallkonstellation einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu kommen. Insbesondere bei häufigerem Fremdpersonaleinsatz sollte in Erwägung gezogen werden, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen und den Fremdpersonaleinsatz im Zweifel nach den Vorgaben des AÜG vorzunehmen, um auf der sicheren Seite zu sein.