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Irreführende Werbung eines Fonds mit Umwelt-Aspekten durch unterlassene Hinweise

Hohe Anforderungen an Umwelt-Werbung

Die 35. Kammer für Handelssachen des Landgericht Stuttgart (Az. 35 O 97/22) hat kürzlich einer Investment Fond Gesellschaft untersagt, mit bestimmten Aussagen über die Umwelt-Aspekte ihres Fonds zu werben. Das Landgericht bestätigt damit die hohen Anforderungen, die von vielen deutschen Gerichten an Werbung mit Nachhaltigkeits- bzw. Umweltaspekten gestellt werden.

I. Sachverhalt

Die beklagte Fonds-Gesellschaft hatte damit geworben, in nachhaltige Projekte zu investieren. Unter anderem beschrieb sie ihr Angebot mit „Messbarer Impact: […] erzielt eine messbare nachhaltige Wirkung zusätzlich zur finanziellen Rendite“. Für ihr ökologisches Engagement habe sie außerdem in der Kategorie „ESG Infrastructure“ den begehrten Preis der Ratingagentur Scope 2022 eingebracht (weitere Hinweise auf diesen Scope-Preis erfolgten nicht).

II. Entscheidung

Das Gericht sah Unterlassungsansprüche aus §§ 8, 3, 5a Abs. 1 UWG für gegeben. Es untersagte der Beklagten, gegenüber Verbrauchern damit zu werben, dass ein von der Beklagten angebotenes Finanzprodukt (Fonds) zur angeblichen Vermeidung von CO2 eine „messbare“ ökologische Wirkung habe. Weiterhin untersagte es der Beklagten, im Internet gegenüber Verbrauchern damit zu werben, dass der Beklagten von einer Ratingagentur (Scope) eine bestimmte Eigenschaft attestiert worden sei, wenn die Beklagte nicht angibt, wo sich der Verbraucher über die Richtigkeit der Behauptung sowie über die Hintergründe dieser angeblichen Preisverleihung informieren kann.

Die Beklagte habe die angesprochenen Verkehrskreise nicht hinreichend deutlich darüber aufgeklärt, nach welcher Methode die angestrebte CO2-Vermeidung berechnet wird.

1. Maßstab der Rechtsprechung zu Umwelt-Werbung

Ausgangspunkt der Überlegungen des Gerichts war die bisherige Rechtsprechung zur Umwelt-bzw. Nachhaltigkeitswerbung, auch als „greenwashing“ bekannt. Nach der Rechtsprechung des BGH aus den 1980er Jahren (BGH GRUR 1991, 546; BGH, Urt. v. 14.12.1995 – I ZR 213/93; BGH GRUR 1997, 666, 668) sind an die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen besondere Anforderungen zu stellen (so auch OLG Hamm, Urt. v. 19.08.2021 – I-4 U57/21; OLG Koblenz, Urt. v. 10.08.2011 – 9 U 163/11; LG Köln, Urt. v. 07.08.2019 – 84 O 24/19; LG Stuttgart, Urt. v. 10.01.2022 – 36 O 92/21 KfH). Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ist danach ähnlich wie die Gesundheitswerbung grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Bei einer blickfangmäßigen Werbung mit der Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses muss wegen der unterschiedlichen damit verbundenen Vorstellungen und Erwartungen darüber aufgeklärt werden, woraus sich die Umweltfreundlichkeit ergeben soll – jede einzelne zur Umweltfreundlichkeit getroffene Aussage muss erkennen lassen, welcher Umweltvorzug herausgestellt werden soll, um die Gefahr einer Irreführung durch die Verwendung des unscharfen Begriffs der „Umweltfreundlichkeit“ auszuschließen (OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 30.06.2022 – 6 U 46/21). Unter diesen Umständen besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner Umweltfreundlichkeit bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (vgl. auch OLG Düsseldorf Urt. v. 17.05.2016 – 20 U 150/15; OLG Hamm, Urt. v. 19.09.2021 – I-4 U 57/21).

2. Der hiesige Fall

Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich bei den verwendeten Begriffen der „messbaren Wirkung“, des „messbaren Beitrags“ und des „messbaren Effekts“ zwar nicht um irreführende Angaben gem. § 5 Abs. 1 UWG. Die angegriffene Werbung sei jedoch unter dem Aspekt der nicht hinreichenden Aufklärung über die Methode der Berechnung irreführend im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG. Die Angabe, wie die angestrebte CO2-Vermeidung konkret berechnet wird, sei eine für den Verbraucher wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 Nr. 1 UWG (vgl. zum „Klimaneutralität“ LG Oldenburg, Beschl. v. 16.12.2021 – 15 O 1469/21). Die genaue Berechnungsmethode werde jedoch nicht hinreichend klar und in räumlichem Zusammenhang mit den angegriffenen Angaben erklärt und sei daher irreführend und unlauter.

III. Resumee

Greenwashing und Werbung mit Umwelt-Aspekten und Nachhaltigkeit sind beliebt wie nie zuvor – nicht zuletzt, weil „grüne“ Produkte und Dienstleistungen heutzutage ein wichtiges Kaufargument für interessierte Kunden darstellen. Die Entscheidung des LG Stuttgart stellt strenge rechtliche Anforderungen an die Umwelt-Werbung. Besonders Unternehmen, die im Kontext von ESG, Offenlegungsverordnung ((EU) 2019/2088) und Taxonomie-Verordnung ((EU) 2020/852 operieren, sollten ihre Werbeaussagen dringend überprüfen und ggf. anpassen bzw. mit Hinweisen versehen.