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Die Geister, die ich rief!

Sonntag, 19.01.2020! Heute ist auf Welt.de zu lesen, dass Deutschlands Gesundheitssystem einen „historischen Wandel“ erlebt.

Resultat dieses Strukturwandels seien bis zu einem Drittel höhere Kosten und unnötige Behandlungen. Den Artikel finden Sie unter dem folgenden Link: https://www.welt.de/wirtschaft/article205134106/Medizinische-Versorgung-Investoren-kaufen-Deutschlands-Arztpraxen.html

Zurückgeführt wird der drastische Anstieg bei den Kosten darauf, dass der Gesetzgeber vor einigen Jahren die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat, dass Fachärzte ihren Arztsitz an Firmen bzw. internationale Fremdinvestoren verkaufen dürfen. Die Arztpraxen werden dann als Medizinische Versorgungszentren betrieben, die ehemals niedergelassenen Ärzte üben ihre Tätigkeit fortan als Angestellte dieser MVZ’s aus. Welt berichtet, dass seit der gesetzlichen Öffnung etwa 4100 solcher Zentren entstanden sind und hinter fast jedem sechsten Zentrum Investorenfirmen stecken, teils mit Sitz in Steueroasen wie den Cayman Islands (https://www.welt.de/wirtschaft/article205134106/Medizinische-Versorgung-Investoren-kaufen-Deutschlands-Arztpraxen.html)

Nun schlagen Verbandsvertreter Alarm, weil wegen der hohen Gewinnerwartungen mehr und zum Teil unnötige Behandlungen erbracht und abgerechnet werden. Der SPD Gesundheitspolitiker Lauterbach will das Rad offenbar zurückdrehen und fordert den Verkauf von Arztsitzen an Finanzinvestoren zu verbieten, wie in dem Bericht zu lesen ist.

Der Gesetzgeber möge dies im Blick haben, wenn er sich mit den auf dem Tisch liegenden Reform Vorschlägen zur BRAO auseinandersetzt. Bereits in unserem letzten Blog Beitrag haben wir uns mit der anstehenden – oder jedenfalls im Raum stehenden – großen BRAO-Reform auseinandergesetzt  (https://www.jaehne-guenther.de/lang-erwartet-kommt-die-grosse-brao-reform-2020/). Diskutiert wird auch bei Anwälten, das sog. „Fremdbesitzverbot“ zu lockern und Anwaltsgesellschaften für nicht anwaltliche Investoren zu öffnen. Damit soll es Anwaltsgesellschaften ermöglicht werden, auf Augenhöhe mit Legal Tech Unternehmen zu agieren und den bisherigen Wettbewerbsnachteil auszugleichen, der darin gesehen wird, dass Legal Tech Unternehmen sich technisch ganz anders aufstellen können, weil sie hierfür von Investoren die nötige finanzielle Ausstattung zur Verfügung gestellt bekommen. Das ist ein Aspekt, der sicherlich seine Berechtigung hat. Gleichwohl wird man aber in einer ehrlichen Debatte über diese Frage auch einräumen müssen, dass die Beteiligung von Finanzinvestoren dem Interesse der Mandanten vielleicht manchmal, sicher aber in den meisten Fällen nicht dienlich ist. So ist denkbar, dass damit auch in der klassischen Kanzlei Vorgänge in stärkerem Maße digital abgebildet werden und dadurch ein Kostenvorteil entsteht, der auch an den Mandanten weitergegeben wird. Gleichermaßen wird die Beteiligung von Finanzinvestoren – das dürfte in der Natur der Sache liegen – zu einem höheren Umsatzdruck führen. Natürlich gibt es auch per heute nicht immer und ausschließlich Mandanteninteressen geleitete Entscheidungen, bspw. zugunsten der Einleitung eines Rechtsstreits. So gab es aber auch in der „Vor-MVZ-Zeit“ innerhalb der Ärzteschaft  Entscheidungen zugunsten der Durchführung eines Eingriffs, die nicht oder nicht ausschließlich an dem Wohl des Patienten orientiert waren.

Am Ende ist es aber eine statistische Größe, die jedenfalls bei der Ärzteschaft zu belegen scheint, dass es seit Einführung der MVZ’s um das Patientenwohl nicht besser gestellt ist. Frei nach dem Motto: Die Geister die ich rief, sollte dies Bestandteil einer ehrlichen Debatte darüber sein, ob Anwälte zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit mit Legal Tech Unternehmen diesen Weg gehen wollen. Man wird nicht umhin kommen sich einzugestehen, dass damit pekuniäre Interessen eine (noch) stärkere Bedeutung gewinnen werden. Nicht vergessen: Der Anwalt ist nach § 1 BRAO UNABHÄNGIGES Organ der Rechtspflege.