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Corona-Virus – Welche Ansprüche haben Arbeitnehmer im Hinblick auf Verdienstausfall und Entgeltfortzahlung sowie nach dem Infektionsschutzgesetz?

Wer zahlt den Lohn bei Schul- und Kitaschließung?

Am 13.03.2020 haben sowohl die Niedersächsische Landesregierung als auch die Bundesländer Bayern und das Saarland entschieden, landesweit Schulen und Kitas zu schließen. Auch in Berlin sollen Schulen und Kitas geschlossen bleiben. Schleswig-Holstein kündigt dies ebenfalls an.

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben sich daraus eine Vielzahl von Fragen, die sich zum einen darum drehen, inwieweit tatsächlich/faktisch von zu Hause gearbeitet werden kann, um parallel die Kinder zu betreuen, zum anderen inwieweit Arbeitnehmer gezwungen sind, zu Hause zu bleiben, ohne im Home-Office tätig sein zu können, um Kinder zu betreuen.

In der Landespressekonferenz des Landes Niedersachsen wird für Kinder von Arbeitnehmern aus dem Bereich der sog. Daseins-Vorsorge und sonstige „Härtefälle“ eine Notbetreuung in Aussicht gestellt. Betroffen davon sind unter Anderem Kinder von Polizisten, Ärzten und Pflegepersonal. Was darüber hinaus unter den Begriff der „Härtefälle“ Details zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis sollen sich aus einem Erlass des Sozialministeriums ergeben, der derzeit online noch nicht abrufbar ist.

Faktisch wird sich ab Montag für Arbeitnehmer in den betroffenen Ländern in einer Vielzahl von Fällen die Frage ergeben, wer für Ihren Lohnanspruch aufkommt, wenn sie nicht mehr zur Arbeit gehen können.

Hier sind vier Varianten zu differenzieren:

1. Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung von Arbeitnehmern ergibt sich aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz und ist beschränkt auf den Krankheitsfall beim Arbeitnehmer (§ 1 EntgeltfortzahlungsG). So heißt es in § 3 des Gesetzes: „Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen“.

Die Tatsache also, dass ein Arbeitnehmer zu Hause bleiben muss und nicht zur Arbeit kommen kann, führt nicht dazu, dass dieser gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach diesem Gesetz hat.

2. Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz

Auch ein Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz scheidet aus. Hier gibt es den § 56 IfSG, der folgende Regelung enthält: „Wer aufgrund dieses Gesetzes … Verboten in der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld.“ Betroffen davon sind Personen denen gegenüber eine „Anordnung der häuslichen Anordnung“ ausgesprochen wurde, denen gegenüber also Quarantäne angeordnet worden ist. Auch dieser Fall betrifft nicht Arbeitnehmer, die ihrer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen können, weil sie zu Hause bleiben müssen, um ihre Kinder zu betreuen.

3. Fehlen eines Anspruchs nach § 45 SGB V

Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es nach § 45 SGB V einen Anspruch auf Krankengeld. Auch dieser Anspruch setzt aber voraus, dass das Kind erkrankt ist, so dass auch dessen Anwendbarkeit zu verneinen ist, wenn Arbeitnehmer zur Betreuung ihrer Kinder, hier faktisch zur Verhinderung einer Erkrankung insgesamt, zu Hause bleiben müssen.

4. Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB

Last but not least bleibt nun noch die Frage eines Anspruchs auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB. Dort ist geregelt, dass „der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf Vergütung nicht dadurch verlustig wird, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“.

Zum Teil schließen schon Arbeitsverträge die Anwendbarkeit des § 616 BGB aus, so dass ein Anspruch dann schon deswegen ausscheidet, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies im Arbeitsvertrag vereinbart haben. Denkbar ist auch ein Ausschluss der Anwendbarkeit im Tarifvertrag.

Sieht der Arbeitsvertrag eine Regelung dazu nicht vor, so wird es nach bisherigem Stand der Rechtsprechung sehr darauf ankommen, wie das Tatbestandsmerkmal der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ auszulegen ist.

Bisher wird das in der Rechtsprechung sehr uneinheitlich entschieden und zum Teil auf die bisherige individuelle Beschäftigungszeit im Verhältnis zu der noch zu erwartenden Beschäftigungszeit abgestellt. Zum Teil wird mit Pauschalen gearbeitet. Dann sollte etwa für die Betreuung eines unter achtjährigen Kindes eine Zeit von fünf Tagen als noch verhältnismäßig (Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, 54. Edition, Std. 01.12.2019, § 616 Rdn. 48). Die Frage, was noch „verhältnismäßig lang“ im Sinne der Norm ist, ist deswegen relevant, weil der Fortzahlungsanspruch entfällt, wenn die zeitliche Begrenzung unverhältnismäßig lang ist. Es findet dann also gerade keine geltungserhaltende Reduktion auf ein Minimum statt. Es scheint viel dafür zu sprechen, dass das Zeitfenster bei einer Schul- und Kitaschließung von zwei Wochen wohl überschritten ist, auch wenn derzeit über eine „Corona-freundliche“ Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen diskutiert wird.

Die Landesregierung Niedersachsen scheint dies auch so zu sehen, jedenfalls deutete darauf eine Anmerkung hin, wonach man für das Thema des Lohnausfalls ggfs. noch eine Regelung auf Bundesebene finden müsse. Ob es den Anspruch aus § 616 BGB in Einzelfällen geben kann, bleibt derzeit wohl unklar. Fakt ist aber jedenfalls immer im Hinblick auf diesen Anspruch, dass neben der Frage der zeitlichen Komponente nachweisbar auch eine andere Form der Betreuung nicht zu gewährleisten ist.