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Berufsrecht trifft Datenschutzrecht

Es fehle an dem für einen Unterlassungsanspruch notwendigen Rechtsschutzbedürfnis sowie am Vorliegen einer geschäftlichen Handlung, wenn die angegriffene Handlung darin bestehe, anwaltliche Schriftsätze an die Anwaltskammer zur Prüfung eines möglichen standeswidrigen Verhaltens weitergegeben zu haben; so entschied das OLG Frankfurt a. M. mit Beschluss vom 19.2.2020 (6 W 19/20). Die Übersendung anwaltlicher Schriftsätze an die Anwaltskammer zur Prüfung möglichen berufsrechtswidrigen Verhaltens sei jedenfalls nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO zulässig.

Was war geschehen? Die Parteien sind Rechtsanwälte; sie streiten im Eilverfahren um lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche. Der Antragsgegner richtete ein Schreiben an den Vorstand der Rechtsanwaltskammer, dem er Kopien mehrerer Schriftsätze des Antragstellers beilegte und auf den Verdacht berufsrechtswidrigen Verhaltens hinwies. Insbesondere verwies er auf § 43 BRAO und auf das Sachlichkeitsgebot des §§ 43a Abs. 3 BRAO. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer erteilte dem Antragsteller eine Rüge wegen Verletzung der Verpflichtung zur Sachlichkeit gemäß § 43a Abs. 3 BRAO.

Der betroffene Rechtsanwalt beantragte einen Unterlassungstitel, mit dem Inhalt, dem Rechtsanwalt zu untersagen, personenbezogene Daten des Antragstellers (Name, Privatanschrift, Sachverhalt, rechtliche Ausführungen, Behauptungen etc.) einschließlich Geschäftsgeheimnissen (Abmahnung, Vertragsstrafenforderung, Streitwert, Gebührenbestimmung), ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Antragstellers oder ohne überwiegende berechtigte Interessen des Antragsgegners bzw. seiner Mandantschaft durch Übermittlung gegenüber der Rechtsanwaltskammer offenzulegen.

Das OLG Frankfurt verneinte ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Äußerung des Antragsgegners als privilegierte Äußerung anzusehen ist. Nach § 8 Abs. 1 UWG besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Unterlassung von Behauptungen einer Partei oder ihres Rechtsanwalts, eines Zeugen oder Sachverständigen in einem gerichtlichen Verfahren, wenn sie – ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts – der Rechtsverfolgung in einem Verfahren dienen (BGH GRUR 2013, 305 Rn. 14 – Honorarkürzung; BGH GRUR 2013, 647 Rn. 12 – Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss). Darin läge eine Einengung der Äußerungsfreiheit der am Verfahren Beteiligten. Die ungehinderte Durchführung staatlich geregelter Verfahren dürfe nicht mehr als unbedingt notwendig behindert werden.

Nach Ansicht des Senats gelte diese gefestigte Rechtsprechung ebenso für verfahrensbezogene Handlungen wie hier die Übersendung der Schreiben des Antragsgegners an die Rechtsanwaltskammer. Das Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer sei insoweit mit einem Verwaltungsverfahren zu vergleichen; dies zeige schon § 32 BRAO, der für Verwaltungsverfahren nach der BRAO die Anwendung des VvVfG anordne. Zwar läge, da die Antragsgegnerin an einem etwaigen berufsrechtlichen Verfahren gegen den Antragsteller nicht beteiligt wäre, hierin keine Einengung der Äußerungsfreiheit des Antragsgegners. Jedoch gebiete die Funktionsfähigkeit des anwaltsrechtlichen Verfahrens, dem der Antragsgegner als Mitglied der Anwaltskammer verpflichtet sei, nicht bereits die Erstattung einer Anzeige und Übermittlung von Schriftstücken einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Ähnlich wie bei der Behauptung von Tatsachen solle nämlich auch in diesem Fall das Verwaltungsverfahren derjenige Ort sein, an dem die streitigen rechtlichen und die damit zusammengehörenden tatsächlichen Fragen geklärt werden.

Soweit in der Übermittlung der Schreiben an die Rechtsanwaltskammer durch den Antragsgegner überhaupt eine „Verarbeitung“ von Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO liegen solle, wäre diese Übermittlung nämlich nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO rechtmäßig.