Eine äußerst praxisrelevante Fragestellung, die immer wieder auftaucht, ist: Wie gelangt es dem ehemaligen Geschäftsführer sich gegen Schadensersatzansprüche zur Wehr zu setzen, die der Insolvenzverwalter der insolventen GmbH geltend macht. Folgendes Praxisbeispiel mag dies verdeutlichen: X war Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und wird von deren Insolvenzverwalter auf Zahlung von EUR 80.000,00 vor dem LG Hannover in Anspruch genommen. Ihm wird vorgeworfen, er habe seine ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten zur Buchführung und ordnungsgemäßen Aufstellung des Jahresabschlusses verletzt und sei nach § 43 Abs. 2 GmbHG ersatzpflichtig. Regelmäßig erfolgt die Inanspruchnahme des Geschäftsführers erst gegen Ende des Insolvenzverfahrens, so dass häufig bereits zwei Jahre ins Land gegangen sind, seitdem der Geschäftsführer in dieser Funktion tätig war. Der Grund der Inanspruchnahme liegt häufig noch weiter in der Vergangenheit. Für den Geschäftsführer ist daher eine ordnungsgemäße Verteidigung in dem Haftungsverfahren praktisch nicht möglich, ohne dass er Zugriff auf die Unterlagen der Insolvenzschuldnerin hat.
Für das Insolvenzrecht folgt die Regelung zum Akteneinsichtsrecht aus § 4 InsO in Verbindung mit § 299 Abs. 2 ZPO. Dritten ist danach Akteneinsicht nur zu gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Bloße wirtschaftliche Interessen genügen nicht (OLG Düsseldorf, NZI 2021, 508, 509).
Ungeachtet der Frage, ob der Geschäftsführer nach Maßgabe dieser Regelung zur Einsicht berechtigt wäre, hilft dieses Einsichtsrecht bei der Verteidigung zumeist nicht, da es sich lediglich auf die vom Verwalter gem. § 174 ff InsO hinsichtlich Forderungsanmeldungen geführten Akten, die sich bei Gericht befinden, erstreckt. Die Insolvenzakte ist damit streng von den Unterlagen der Insolvenzschuldnerin zu unterscheiden. Auf Kontobelege, Verträge mit Lieferanten, Banken und Kunden, Informationen über Arbeitnehmer und vieles mehr hat nur der Verwalter Zugriff (OLG Düsseldorf, NZI 2021, 508, 509). Eben diese Unterlagen sind es aber, die der Geschäftsführer zur zweckmäßigen Verteidigung in der Regel benötigt. Ein auf § 4 InsO in Verbindung mit § 299 Abs. 2 ZPO gestützter Anspruch ist daher in der Regel nicht zielführend.
Das OLG Düsseldorf hat dazu jüngst in seiner bereits zitierten Entscheidung klargestellt, dass ein Einsichtsrecht des Geschäftsführers in Bezug auf Informationen, die sich bei der Insolvenzschuldnerin oder dem Verwalter befinden, nicht besteht (OLG Düsseldorf, NZI 2021, 508, 509).
Den Ausweg aus diesem Dilemma kann der Auskunftsanspruch in Verbindung mit dem Anspruch auf Erhalt von Kopien nach Art. 15 DSGVO bieten. Der Anwendungsbereich und eine Vielzahl von Fragestellungen rund um diesen Anspruch sind derzeit nicht abschließend geklärt. Es gibt durchaus Unterschiede in den vereinzelt vorliegenden höchstrichterlichen Entscheidungen, bspw. von BAG und BGH. Gleichwohl schaffen sich Geschäftsführer damit zumindestens eine Verhandlungsgrundlage und die Aussicht auf Einsicht in einzelne Unterlagen.