BGH Beschluss vom 30.8.2024 – AnwZ (Brfg) 18/24
Bloße Lektüre von Fachzeitschriften reicht nicht aus
Der BGH hat kürzlich entschieden, dass die bloße (eigene) Lektüre von Fachzeitschriften ohne eine entsprechende Lernkontrolle nicht genügt, um der Fortbildungspflicht des § 15 FAO nachzukommen (BGH Beschluss vom 30.8.2024 – AnwZ (Brfg) 18/24).
Fortbildungspflicht des § 15 FAO
Nach § 15 Abs. 1 FAO muss derjenige, wer eine Bezeichnung als Fachanwältin oder als Fachanwalt führt, kalenderjährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen. Nach Absatz 4 können bis zu fünf Zeitstunden im Wege des Selbststudiums absolviert werden, sofern eine Lernerfolgskontrolle erfolgt.
BGH unter Verweis auf Literatur
Nach § 15 IV FAO können bis zu fünf Zeitstunden im Wege des Selbststudiums absolviert werden, sofern eine Lernerfolgskontrolle erfolgt; nach § 15 V 2 FAO ist die Fortbildung im Sinne des Abs. 4 durch Bescheinigungen und Lernerfolgskontrollen nachzuweisen. Bereits daraus ergebe sich, dass das Selbststudium zur Anerkennung als Fortbildung mittels einer Lernerfolgskontrolle erfolgen müsse und die reine Lektüre von Fachzeitschriften ebenso wie die anwaltliche Versicherung des Selbststudiums als Nachweis gerade nicht ausreicht solle. Als Beispiel für eine nach der Satzungsversammlung mögliche Fortbildung wurde die Teilnahme an einer Online-Fortbildung genannt, die nicht die Interaktionsanforderungen von § 15 II FAO erfülle, bei der aber eine Leistungserfolgskontrolle durch Teilnahme an einem an den Lerninhalten anknüpfenden Prüfungsmodul mit gesonderter Bescheinigung stattfinde (Anlage zum Protokoll der Sitzung der Satzungsversammlung vom 6./7.12.2013, SV-Mat. 2013, 3). Dementsprechend wird auch in der Literatur darauf hingewiesen, dass eine Lernerfolgskontrolle für die Anerkennung als Selbststudium als „Minimum“ eine Kontrolle nicht durch den Fachanwalt selbst, sondern durch einen Dritten voraussetze (so bspw. BeckOK FAO/Günther, 1.5.2024, FAO § 15 Rn. 16).
Drohender Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung
Nach der Rechtsprechung des BGH steht zwar die Verletzung der Fortbildungspflicht bei Nichterreichen der vorgeschriebenen Fortbildungsstunden mit dem Ablauf des jeweiligen Jahres unumkehrbar fest und kommt eine die Verletzung der Fortbildungspflicht rückwirkend heilende Nachholung der Fortbildung im Folgejahr nicht in Betracht (vgl. Senat NJW 2013, 2364 Rn. 10; NJW-RR 2014, 1083 Rn. 9).
Zeitlicher Ermessenspielraum der RAK
Eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht führe allerdings nicht zwingend zum Widerruf. Vielmehr stehe die Entscheidung über den Widerruf im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands der Rechtsanwaltskammer. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa eine auf Grund Erkrankung unverschuldete Versäumung der Fortbildung, zu berücksichtigen (vgl. Senat NJW 2001, 1945; NJW 2013, 175 Rn. 9, 12; NJW-RR 2014, 1083 Rn. 10). Dabei können auch erst nach Ablauf des jeweiligen Jahres eingetretene Umstände einbezogen werden (vgl. Senat NJW 2013, 2364 Rn. 10). Insbesondere hat der Senat es daher auch schon vor der ausdrücklichen Regelung in § 15 V 3 FAO für möglich erachtet, dass die Rechtsanwaltskammer der Rechtsanwältin bzw. dem Rechtsanwalt in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens zunächst Gelegenheit gibt, die versäumte Fortbildung im Folgejahr nachzuholen. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen einer im Vorjahr unterbliebenen und der im nachfolgenden Jahr zusätzlichen Fortbildung war danach ein Absehen vom Widerruf trotz des Hintergrundes der Zielrichtung der Fortbildung, einen einheitlichen Qualitätsstandard sicherzustellen, bei dem die spezifischen Fachkenntnisse jeweils auf dem neuesten Stand gehalten werden, als nicht ermessensfehlerhaft anzusehen (vgl. Senat NJW 2013, 175 Rn. 9 und NJW 2013, 2364 Rn. 10; NJW-RR 2014, 1083 Rn. 10; s.a. BeckOK FAO/Günther, 1.5.2024, FAO § 15 Rn. 22a, 24).