EuGH, Urteil vom 19.12.2024 – C-295/23
Keine Beteiligung von Finanzinvestoren an Kanzlei
Der EuGH (Urteil vom 19.12.2024 – C-295/23) hat entschieden, dass das europäische Recht dahin auszulegen sei, dass dieses einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der es unzulässig ist, dass Geschäftsanteile an einer Rechtsanwaltsgesellschaft auf einen reinen Finanzinvestor übertragen werden, der nicht die Absicht hat, in der Gesellschaft eine in dieser Regelung bezeichnete berufliche Tätigkeit auszuüben, und die bei Zuwiderhandlung den Widerruf der Zulassung der betreffenden Rechtsanwaltsgesellschaft zur Rechtsanwaltschaft vorsieht.
Alte Regelung in der BRAO
§ 59a Abs. 1 und 2 BRAO a. F. bestimmte dazu: Rechtsanwälte dürfen sich mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse verbinden. Eine gemeinschaftliche Berufsausübung ist Rechtsanwälten auch gestattet: mit Angehörigen von Rechtsanwaltsberufen aus anderen Staaten, die berechtigt sind, sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederzulassen und ihre Kanzlei im Ausland unterhalten,
Mit Beschluss vom 12. Januar 2016 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO a. F. mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar sei, soweit Rechtsanwälten untersagt werde, sich mit Ärzten und Apothekern zur Ausübung ihrer Berufe zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen.
§ 59c BRAO a. F. gestattete die anwaltliche Berufsausübung durch Rechtsanwaltsgesellschaften in Form von Kapitalgesellschaften. Nach § 59d BRAO a. F. war einer den Erfordernissen des § 59e BRAO a. F. nicht entsprechenden Rechtsanwaltsgesellschaft die Zulassung zu versagen. § 59e BRAO a. F. lautete: Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft können nur Rechtsanwälte und Angehörige der in § 59a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 genannten Berufe sein. Sie müssen in der Rechtsanwaltsgesellschaft beruflich tätig sein.
Zudem dürfen Anteile an der Rechtsanwaltsgesellschaft nicht für Rechnung Dritter gehalten und Dritte nicht am Gewinn der Rechtsanwaltsgesellschaft beteiligt werden.
Aktueller Gesellschafterkreis der BRAO
Auch in der aktuellen Fassung der BRAO können Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft (bzw. einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft) nur sein
- Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Mitgliedern der Patentanwaltskammer, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern,
- Angehörige von Rechtsanwaltsberufen oder entsprechen Berufsträgerschaften (bspw. StB, WP) aus anderen Staaten, […] oder
- Personen, die in der Berufsausübungsgesellschaft einen freien Beruf nach § 1 Absatz 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes ausüben, es sei denn, dass die Verbindung mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.
Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber eine weitere Öffnung der Gesellschafterkreise vornehmen wird. Aufgrund der klaren Bewertung des EuGH (zur alten, noch strengeren Rechtslage) ist dies jedoch wenig wahrscheinlich.