Neben verschiedenen Kernpflichten sind Steuerberater zudem an weitere berufsrechtliche Pflichten gebunden, die aufgrund ihrer ständigen Präsenz in der alltäglichen Praxis oftmals als nahezu selbstverständlich erscheinen mögen. Hierzu zählen insbesondere das Führen von Handakten, der Umgang mit Fremdgeldern, der Beraterwechsel sowie allgemein berufs(un)würdiges Verhalten.
Handakte
Die Pflicht zur Führung von Handakten ist in § 66 StBerG gesetzlich normiert und wird durch § 13 Abs. 4 BOStB ergänzt. Danach muss der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte durch das Führen von Handakten ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung seiner Aufträge geben können und diese für die Dauer von zehn Jahren aufbewahren (beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Auftrag beendet wurde).
Die Vorschrift zur Handaktenführung wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe neu geregelt; das Gesetz tritt am 1.8.2022 in Kraft. Zur Handakte gehören demnach alle Dokumente, welche der Steuerberater von seinen Auftraggebern oder für ihre Auftraggeber erhalten hat, bspw. Kontoauszüge, Rechnungen, sonstige Buchführungsunterlagen, Grundaufzeichnungen, Schriftwechsel des Auftraggebers mit Geschäftspartnern, Steuerbescheide, Bilanzen früherer Veranlagungszeiträume und Urteile.
Der Steuerberater hat nach § 66 Abs. 1 S. 2 die Handakten für die Dauer von zehn Jahren aufzubewahren. Die Frist beginnt nach Satz 3 mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Auftrag beendet wurde. Der Auftrag endet bei einer einmaligen Angelegenheit (bspw. Raterteilung oder Gutachtenerstellung) mit der Erledigung der Tätigkeit; bei einer Dauertätigkeit erst mit deren Ende (bspw. durch Kündigung, Tod oder Insolvenz).
Diese Verpflichtung erlischt jedoch mit der Übergabe der Handakten an den Auftraggeber, spätestens jedoch binnen sechs Monaten, nachdem der Auftraggeber die Aufforderung des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten erhalten hat, die Handakten in Empfang zu nehmen. § 13 Abs. 4 BOStB statuiert, dass Handakten i. S. v. § 66 Abs. 3 StBerG nach Aufforderung vorbehaltlich etwaiger Zurückbehaltungsrechte herauszugeben sind.
Fremdgeld
Der korrekte Umgang mit anvertrauten Fremdvermögen bildet nach § 8 BOStB eine weitere Berufspflicht. Das Gesetz verpflichtet den Steuerberater zu „besonderer Sorgfalt“ und legt ihm insofern einen strengen Haftungsmaßstab für seine Tätigkeit und dem Umgang mit fremden Vermögenswerten auf. Deswegen empfehlen sich zwecks Haftungsprävention die ständige Kontrolle bzw. Überwachung solcher Fremdgeldflüsse. Neben ihrem berufsrechtlichen Einschlag ruht die Verwahrung von Fremdgeldern auf zivilrechtlicher Grundlage: Der § 8 BOStB hebt die ohnehin vertragliche Verpflichtung des ordentlichen Umgangs mit fremden Vermögenswerten auf die Stufe einer Berufspflicht.
Die Verwahrung fremder Vermögenswerte durch Steuerberater hat nach § 8 Abs. 2 S. 1 BOStB von ihrem eigenen Vermögen getrennt zu erfolgen. Sinn und Zweck dieser Separierung sind vor allem die Sicherung vor Beschlagnahmung oder Vollstreckung. Als Vermögenswerte wird alles verstanden, was einen wirtschaftlichen Wert hat oder verkörpert ist (bspw. Schmuck, Gemälde, Rechte oder Urkunden); vor allem fallen auch Geld und Wertpapiere hierunter. Fremde Vermögenswerte im Gewahrsam von Steuerberatern sind vor dem Zugriff Dritter zu sichern (§ 8 Abs. 2 S. 4 BOStB).
Nach § 8 Abs. 2 S. 2 BOStB müssen fremde Gelder und Wertpapiere „unverzüglich“ an den Empfangsberechtigten weitergeleitet werden. Die zivilrechtliche Herausgabepflicht richtet sich nach § 667 BGB, wonach der Beauftragte (Steuerberater) verpflichtet ist, dem Auftraggeber (Mandanten) alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.
Abwerbung von Mandanten
Bei einer Abwerbung von Mandanten und dem damit einhergehenden Beraterwechsel hat sich der Steuerberater im Bereich der lauteren und berufsrechtskonformen Werbung zu bewegen. Lediglich der § 19 BOStB statuiert, dass der Steuerberater bei der Übernahme bzw. Abwerbung eines Mandates oder eines Mandanten jede Maßnahme, die darauf gerichtet ist, einen anderen Steuerberater unlauter aus einem Auftrag zu verdrängen, berufswidrig ist. Die Unlauterkeit wird überwiegend nach wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten beurteilt. Zudem enthält § 19 S. 2 BOStB eine Konkretisierung dahingehend, welche Handlungen „insbesondere“ – also nicht abschließend – unlauter sein sollen; die Norm dient lediglich der Konkretisierung der ohnehin geltenden wettbewerbsrechtlichen Grundsätze. Unlauter ist nach Satz 2 daher insbesondere
- eine Abwerbung von Mandanten unter Verwendung rechtswidrig beschaffter Adressdaten,
- ein Zusammenwirken mit einem Mitarbeiter eines anderen Steuerberaters, der während seines Beschäftigungsverhältnisses Mandanten seines Arbeitgebers abwirbt,
- das Angebot, zu einer unangemessen niedrigen Vergütung tätig zu werden sowie
- einen anderen Steuerberater oder dessen Dienstleistungen herabzusetzen oder zu verunglimpfen.
Allein der Umstand, dass ein zuvor bei einer Steuerberatergesellschaft angestellter Steuerberater ehemalige Mandanten – in zulässiger Weise nach § 7 UWG – anschreibt, um diese zu einem Beraterwechsel zu bewegen, ist für sich genommen keine unzulässige Mandatsabwerbung. Das Abwerben von Kunden gehört vielmehr zum Wesen des Wettbewerbsrechts, selbst dann, wenn es zielbewusst und systematisch, also planmäßig geschieht und die Mandanten noch vertraglich an einen Mitbewerber gebunden sind.
Sachlichkeit
Das gesetzliche Selbstverständnis des Steuerberaters wird durch das Mantra des „berufswürdigen Verhaltens“ geprägt. Nach § 57 Abs. 2 S. 2 StBerG hat sich der Steuerberater auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert. Als sachlich wird gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 BOStB ein Verhalten definiert, das bei gewissenhafter Berufsausübung geeignet ist, die anvertrauten Interessen in angemessener Form zu vertreten.
Im Wesentlichen erfährt das Sachlichkeitsgebot klassischerweise seine Anwendung auf Äußerungen, die Steuerberater gegenüber anderen, in aller Regel an einem steuerrechtlichen Sachverhalt beteiligten Personen wie beispielsweise anderen Steuerberaters oder deren Mandanten, Richtern des Finanzgerichts oder Angestellten des Finanzamtes tätigen. Es bewegt sich damit im Spannungsverhältnis von Meinungs- bzw. Berufsfreiheit und Beleidigung bzw. Schmähkritik. Aber selbst eine formale Beleidigung kommt noch nicht per se einem Verstoß gegen das berufliche Sachlichkeitsverbot gleich, solange berechtigte Interessen hinzutreten