Wer ist „Experte“, wer ist „Spezialist“?
Die Grenzen des Werberechts der Anwaltschaft beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. Streitig ist häufig die Frage der Verwendung von ergänzenden bzw. qualifizierenden Zusätzen. Dies sind nach der Begründung der Satzungsversammlung solche, die einen wertenden Hinweis auf die persönliche Qualifikation des Rechtsanwalts beinhalten (vgl. Prütting, in: Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 7 BORA Rdn. 10). In Betracht kommen beispielsweise Begriffe wie „Experte“ oder „Spezialist“.
Gemäß § 7 BORA dürfen qualifizierende Zusätze nur verwendet werden, wenn deren Verwender tatsächlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügt und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist.
Nicht ganz einheitlich beantwortet wird von der Rechtsprechung, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um zum einen die Hürde im Hinblick auf die „theoretischen Kenntnisse“ und zum anderen die Hürde im Hinblick auf die Tätigkeit in „erheblichem Umfang“ zu nehmen.
Der 1. Zivilsenat des BGH stellte auf die Anforderungen eines Fachanwalts ab (BGH, Urt. v. 24.07.2014 – I ZR 53/14). Der Anwaltssenat des BGH fordert mehr, nämlich dass die Kenntnisse und praktischen Erfahrungen eines nur Fachanwalts nicht nur unerheblich überschritten sein müssen (BGH, Urt. v. 05.12.2016 – AnwZ (Brfg) 31/14). So sah es auch das OLG Stuttgart in einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 2008. Danach solle die Verwendung der Bezeichnung „Spezialist“ nur dann zulässig sein, wenn der Rechtsanwalt den Durchschnitt weit übersteige, also besondere und genaue Kenntnisse auf dem Fachgebiet aufweise. Dafür solle es nicht ausreichen, dass 120 Fälle in dem Fachgebiet in drei Jahren bearbeitet wurden und der Besuch und das Abhalten einzelner Seminare auf diesem Gebiet nachgewiesen werden können (OLG Stuttgart, NJW 2008, 1326).
Klar ist damit indes, dass jedenfalls die unterste Hürde für die Eigenbezeichnung als „Spezialist“ oder „Experte“ der Vergleich mit dem Fachanwalt ist. So bestätigt es auch das AnwG Frankfurt am Main in einer aktuellen Entscheidung aus dem Januar 2020. Die Richter hatten über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem auszugsweise im Zusammenhang mit dem Diesel Abgasskandal wie folgt geworben wurde: „Motorrechte: Traffic Law. Die Verkehrsrechtsexperten. Als Spezialisten auf dem Gebiet sorgen unsere Rechtsanwälte dafür, dass Sie zu Ihrem Recht und zu Ihrem Geld kommen.“ (AnwG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.01.2020 – IV AG 27/19).
Ausgeführt hat das Gericht dazu, dass die Verwendung der Begriffe „Experte“ und „Spezialist“ als qualifizierende Zusätze im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 BORA voraussetzen, dass der Rechtsanwalt Kenntnisse aufweist, die denen eines Fachanwalts entsprechen (AnwG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.01.2020 – IV AG 27/19). Andernfalls, so das Gericht, läge eine Irreführung vor (AnwG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.01.2020 – IV AG 27/19).
Nicht ausreichend ist die bloße Teilnahme an einem Fachanwaltskurs, wenn der Rechtsanwalt nicht auch das Bestehen der Leistungskontrolle und den Nachweis der praktischen Erfahrungen erbringen kann (AnwG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.01.2020 – IV AG 27/19). Daran fehlte es hier, weil lediglich eine Anmeldung zum Fachanwaltslehrgang nachgewiesen werden konnte, nicht aber das Bestehen der Leistungskontrolle. Auch der Nachweis der praktischen Fälle gelang nicht in der Art und Weise, wie es für die Erlangung des Fachanwalts für Verkehrsrecht erforderlich gewesen wäre. Allein die bloße Behauptung der weisungsfreien Bearbeitung von 160 Fällen aus dem Bereich reicht jedenfalls nicht.
Bei der Verwendung qualifizierender Zusätze ist also Zurückhaltung geboten, wenn nicht mindestens die Anforderungen des Fachanwalts erreicht werden. Der Rechtsanwalt trägt die Beweislast für die Selbsteinschätzung bei der Verwendung eines qualifizierenden Zusatzes. Irreführende Benennungen sind unzulässig und ein Verstoß gegen § 7 Abs. BORA und § 43b BRAO.