Voraussetzungen der Vertretung und Abgrenzung zur Begleitung
Häufig enthalten Gesellschaftsverträge Regelungen, wonach sich Gesellschafter insbesondere durch der beruflichen Verschwiegenheit unterliegende Personen in Gesellschafterversammlungen vertreten lassen dürfen. Ohne eine solche Regelung ist die Vertretung grds. unzulässig. Ausnahmen können sich in engen Grenzen aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben.
Für die Vertretung braucht es dann eine spezielle Vollmacht, die auch die Stimmrechtsausübung erfasst. Vertretung meint stets, dass der Gesellschafter nicht, dafür aber sein Vertreter in der Gesellschafterversammlung erscheint und seine Rechte wahrnimmt und ist damit abzugrenzen von der Begleitung zu Gesellschafterversammlungen, die beispielsweise anzuerkennen ist für Fallkonstellationen, in denen ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden soll, oder seine Anteile eingezogen werden sollen. Die Begleitung meint, wie es der Begriff impliziert, dass der betroffene Gesellschafter in Begleitung erscheint, meist in Begleitung eines Rechtsanwalts oder eines Steuerberaters.
Die Frage der Zulässigkeit der Begleitung regelt der Gesellschaftsvertrag in der Regel nicht. Hier ist auf die Relevanz und individuelle Betroffenheit für die Frage der Zulässigkeit abzustellen.
Soll ausnahmsweise sowohl die Vertretung als auch die Begleitung generell geregelt und zugelassen werden, könnte eine Regelung lauten: „Jeder Gesellschafter kann sich jeweils sowohl bei der Ausübung seiner Gesellschafterrechte, als auch in Gesellschafterversammlungen als auch bei der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen in und außerhalb von Gesellschafterversammlungen vertreten und/oder begleiten lassen.“
Entscheidung des LG Darmstadt, Urt. v. 04.03.2024 – 18 O 34/21
Das LG Darmstadt hat vorstehende Ausführungen zum Erfordernis einer gesellschaftsvertraglichen Regelung für die Vertretung in Gesellschafterversammlungen jüngst bestätigt und entschieden, dass die Wahrnehmung der Rechte eines Gesellschafters durch Vertreter der rechtswahrenden Berufe oder Wirtschaftsprüfer und Steuerberater grundsätzlich einer ausdrücklichen Zulassung im Vertrag bedarf (LG Darmstadt, Urt. v. 04.03.2024 – 18 O 34/21). Die Entscheidung betraf einen Gesellschafterstreit in einer oHG, für die das Gericht entschieden hat, dass Voraussetzung für eine wirksame Beschlussfassung im Rahmen einer OHG-Gesellschafterversammlung grundsätzlich die höchstpersönliche Beteiligung aller Gesellschafter bei den Beratungen über eine Beschlussvorlage und der anschließenden Abstimmung ist, (LG Darmstadt Urt. v. 4.3.2024 – 18 O 34/21). Dies ergab sich hier auch aus dem Gesellschaftsvertrag, der die folgende Regelung enthielt: „Gesellschafterbeschlüsse können mündlich oder schriftlich, telefonisch oder telegrafisch sowie innerhalb oder außerhalb einer Gesellschafterversammlung gefasst werden, wenn alle Gesellschafter sich hieran beteiligen“, (LG Darmstadt Urt. v. 4.3.2024 – 18 O 34/21). Hinzukam, dass es sich um eine personalistisch geprägte oHG mit drei Gesellschaftern und familiärer Verbundenheit gehandelt hat. In prägnanter Weise hat das Gericht konstatiert: „Gerade in einer personalistisch geprägten Familiengesellschaft haben die Gesellschafter im Regelfall die berechtigte Erwartung, dass Angelegenheiten der Gesellschaft in einem persönlichen Gespräch beraten und diskutiert werden, und es gerade die Mitgesellschafter sein werden, die in einen persönlichen Austausch treten. Soweit einem Gesellschafter mitunter das erforderliche Fachwissen fehlt, um bestimmte Sachverhalte adäquat beurteilen zu können, mag dieser sich von einem Rechtsanwalt, einem Wirtschaftsprüfer oder einem Steuerberater begleiten und beraten lassen; einer vollständigen und – im Extremfall – dauerhaften Übertragung der Ausübung von Gesellschafterrechten bedarf es zum Ausgleich fehlenden Fachwissens nicht“, (LG Darmstadt Urt. v. 4.3.2024 – 18 O 34/21, BeckRS 2024).
Resümee
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass in den häufig in der Beratung relevanten personalistisch geprägten Gesellschaften nicht ohne Weiteres von der Zulässigkeit der Vertretung ausgegangen werden darf, wenn es an einer entsprechenden Regelung im Vertrag fehlt. In der Beratung ist darauf zu achten, dass die Wirksamkeit der Beschlussfassung nicht an einer unzulässigen Vertretung krankt, für die dann nicht auf die Relevanz der Anwesenheit des Vertreters, sondern die Relevanz der fehlenden Anwesenheit des Gesellschafters abgestellt wird. Auch dazu führt das LG Darmstadt aus: „Auch im Hinblick auf die nach Auffassung des Beklagten zu 2) wirksam zustande gekommenen Beschlüsse gilt, dass es bei vernünftiger Betrachtung naheliegend ist, dass ein persönlicher Austausch aller familiär verbundenen Gesellschafter unmittelbar vor der Abstimmung über eine Beschlussvorlage Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gehabt haben könnte und zwar unabhängig davon, ob ein Stimmverbot anzunehmen gewesen wäre oder nicht. Jedenfalls ist nicht sicher auszuschließen, dass die persönliche Anwesenheit des B das Abstimmungsergebnis unter keinen Umständen hätte beeinflussen können (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1983 – II ZR 213/82; OLG Köln, Beschluss vom 12.6.2012 – 18 U 296/11)“, (LG Darmstadt Urt. v. 4.3.2024 – 18 O 34/21). Nachdem mit den Neuregelungen im Personengesellschaftsrecht insgesamt von einer stärkeren Ausstrahlung der personengesellschaftsrechtlichen Regelungen auf die GmbH auszugehen ist und es keinen Unterschied macht, ob es um die Vertretung eines oHG- oder GmbH Gesellschafters geht, solange die Merkmale der personalistischen Prägung und ggfs. familiären Verbundenheit erfüllt sind, dürfte die Entscheidung ohne Weiteres auch auf die GmbH zu übertragen sein.