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Die Entlastung des Geschäftsführers

zur Entscheidung des OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 7 U 133/21

Die Entlastung des Geschäftsführers

Das GmbHG regelt die Entlastung des Geschäftsführers in § 46 Nr. 5 GmbHG. Danach kann dem Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversammlung Entlastung erteilt werden, was regelmäßig einer der Beschlussgegenstände im Zusammenhang mit der Feststellung des Jahresabschlusses ist.

Die Rechtswirkungen eines solchen Entlastungsbeschlusses beschäftigen die Gerichte immer wieder aufs Neue und die Praxis zeigt, dass Geschäftsführer sich von einem solchen Beschluss häufig in falscher Sicherheit wägen. Tatsächlich schützt der Entlastungsbeschluss aber dort vor der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, wo der Geschäftsführer seine Kompetenzen zwar überschreitet, dies für die Gesellschafter aber erkennbar war oder hätte sein müssen und diese dann ohne entsprechende Nachfragen oder Nachforschungen über die Entlastung des Geschäftsführers Beschluss fassen. Verdeutlichen mag dies auch die nachfolgend in Auszügen dargestellte Entscheidung des OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 7 U 133/21).

Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer trotz Entlastungsbeschluss?

Es ging um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 43 GmbHG und § 823 BGB wegen überzahlter Geschäftsführergehälter. Der beklagte Geschäftsführer war zugleich Gesellschafter. Von den Beschränkungen des § 181 BGB war er nicht befreit.

In einer Gesellschafterversammlung im Jahr 2020 wurde über die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche Beschluss gefasst, der Beklagte abberufen und seine Geschäftsanteile wurden eingezogen. Dem Beklagten wurde u.a. vorgeworfen, dass er sich ab Dezember 2015 zu hohe Gehälter habe auszahlen lassen. Für das Jahr 2016 soll es eine Überzahlung von EUR 25.300 gegeben haben. In den Jahren 2016 und 2017 wurden dem Beklagten Entlastung erteilt. Festgestellt wurde der Jahresabschluss (JA) nur für das Jahr 2016.

Dass der JA 2016 die Überzahlung ausgewiesen hatte und festgestellt worden sei, stünde der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nicht entgegen, weil in der Feststellung des JA keine Billigung liege, so der klägerische Vortrag.

Im Hinblick auf den festgestellten JA 2016 sei nicht erkennbar gewesen, inwieweit in der Summe weitere Gehaltsbestandteile (Dienstwagen, betr. Altersversorgung, etc.) enthalten gewesen seien.

Der Beklagte behauptet, die Erhöhung der Gehaltszahlung sei vereinbart gewesen. Im Übrigen verweist er auf die Entlastungsbeschlüsse für 2016 und 2017. Außerdem käme der Feststellung des JA 2016 eine Art Anerkenntniswirkung zu (OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 7 U 133/21).

Das OLG Brandenburg hat einen Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG dem Grunde nach bejaht. Dem Geschäftsführer fehle es an einer Möglichkeit, die Vergütung einseitig nach oben anzupassen, selbst wenn dies angemessen wäre. Erforderlich ist hierfür der Beschluss der Gesellschafterversammlung, so dass es auch nicht darauf ankommen könne, ob ggfs., so wie es der Beklagte vorgetragen hat, ein Mitgesellschafter „einverstanden“ gewesen sei (OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 7 U 133/21).

Nachforschungspflicht der Gesellschafter verhilft Entlastungsbeschluss zur Wirkung

Für die Jahre 2016 und 2017 wirkten nach Auffassung des OLG Brandenburg allerdings die Beschlüsse über die Entlastung des Beklagten, so dass ein Schadensersatzanspruch nicht geltend gemacht werden konnte. In diesen Jahren waren aus den Bilanzen die „Überzahlungen“ erkennbar, so dass dem Beklagten nicht vorzuwerfen war, dass er diese verschleiert habe. Das Argument der Klägerin insoweit, dass nicht erkennbar gewesen sei, ob es sich nicht um andere Gehaltsbestandteile gehandelt habe, griff nach Ansicht des Gerichts nicht durch und wurde als widersprüchlich bewertet. Jedenfalls hätte es Anlass zur Nachfrage durch die Gesellschafter gegeben. Die Beschlüsse sind auch wirksam gefasst worden, da Anfechtungsklagen nicht erhoben worden sind. Es lag auch keine Nichtigkeit der Beschlussfassung vor. Dazu wäre erforderlich, dass der Beschluss seinem Inhalt nach eine sittenwidrige Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen zum Inhalt hat, was bei einer Überzahlung von Geschäftsführergehältern ersichtlich nicht der Fall ist (OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 7 U 133/21).

Das Gericht wies abschließend darauf hin, dass der Feststellung des Jahresabschlusses grds. keine eigenständige Entlastungswirkung beizumessen ist. Die Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses ist darauf beschränkt festzustellen, welche Ausgaben tatsächlich getätigt worden sind. Dazu, ob die Höhe angemessen war und ob wegen einer Überzahlung Rückforderungsansprüche der Gesellschaft bestehen können, enthält der Jahresabschluss regelmäßig keine Angaben (OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022 – 7 U 133/21).

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Rechtsmittelverfahren beim BGH trägt das Aktenzeichen II ZR 140/22.

Resümee

Inwieweit Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer trotz erteilter Entlastung geltend gemacht werden können, ist daher stets anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen und zu bewerten. Eine schematische Aussage, wonach wegen eines erteilten Entlastungsbeschlusses Schadensersatzansprüche nicht geltend gemacht werden können, verbietet sich.