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Vergütungsvereinbarungen von Rechtsanwälten – Aktuelle Rechtsprechung des EuGH

Rechtsprechung zu Vergütungsvereinbarungen – Widerrufsrecht bei Fernabsatz

Nachdem Ende 2020 der BGH (Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 133/19) entschieden hatte, dass der Widerruf des Anwaltsvertrags als Fernabsatzgeschäft möglich ist, hat dies für viel Wirbel in den Kanzleien gesorgt. Bis dato war es nämlich die Ausnahme, dass Kanzleien im Rahmen der Mandatsbegründungen ihre Vergütungsvereinbarungen mit Abrechnung nach Zeithonorar mit Widerrufsbelehrungen versandt haben.

Inzwischen dürfte dies jedenfalls bei der Vereinbarung von Zeithonoraren mit Verbrauchern standardisiert erfolgen, auch deswegen, weil die Beratung der Mandanten – auch im Fall von Verbrauchern – zunehmend unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erfolgt. Fehlt es in diesem Fall an der Widerrufsbelehrung, droht die Rückzahlung geleisteter Zahlungen nach § 355 Abs. 3 BGB.

Sofern also feststeht, dass der Unternehmer sowohl für die Verhandlungen als auch für den Vertragsschluss nur Fernkommunikationsmittel verwendet hat, soll nach der gesetzlichen Regelung des § 312c Abs. 1 BGB widerleglich vermutet werden, dass der Vertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems abgeschlossen worden ist. Der Anwalt jedenfalls müsse das Gegenteil beweisen (BGH Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 133/19).

Neue Entscheidung des EuGH zu Vergütungsvereinbarungen – Transparenz

Der EuGH hat nun mit einer aktuellen Entscheidung vom 12.01.2023 (C-395/21) nachgelegt und entschieden, dass eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, ohne weitere Angabe nicht dem Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit genügt (https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2023-01/cp230010de.pdf). Der EuGH greift den Aspekt der Transparenz auf und stellt klar, dass für den Verbraucher absehbar sein müsse, in welchen Dimensionen sich die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistung bewegen. Konkret heißt es dazu in der vorliegenden Pressemitteilung: „Die Informationen, die der Gewerbetreibende vor Vertragsabschluss zu
erteilen hat, müssen den Verbraucher aber in die Lage versetzen, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis des Umstands, dass solche Ereignisse eintreten können, und der Folgen, die solche Ereignisse während der Dauer der Erbringung der betreffenden Rechtsdienstleistungen haben können, zu treffen“, (https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2023-01/cp230010de.pdf).

Ergeben könne sich dies aus einer Schätzung der erforderlichen Stunden oder aber aus der Verpflichtung, in angemessenen Abständen Rechnungen zu übermitteln bzw. Stundenaufstellungen zur Verfügung zu stellen (https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2023-01/cp230010de.pdf).

Resümee

Bis dato liegt nur die Presserklärung vor. Daraus aber ergibt sich, dass idealerweise bei Begründung des Mandatsverhältnisses mit dem Verbraucher eine Schätzung des Stundenaufwands erfolgt. In der Praxis zeigt sich häufig, dass Auseinandersetzungen eine gewisse Eigendynamik entwickeln, die im Vorfeld in der Dimension nicht abschätzbar ist. Das macht es häufig schwer, den Zeitaufwand einigermaßen präzise abzuschätzen. Das scheint der EuGH aber zu tolerieren, solange das dann laufende Mandat transparent abgerechnet wird. Dazu sollte es ausreichen, dass monatliche Abrechnungen mit Auflistung der Zeitaufwände erfolgen. Nicht akzeptabel ist dagegen, dass erst am Ende einer mehrmonatigen Mandatsbeziehung abgerechnet wird. In diesem Fall steht das Risiko der Nichtigkeit im Raum.