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beA für unterwegs

OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.10.2023 – 12 U 47/239

Fax gehört nicht in den Reisekoffer

Einem Rechtsanwalt, der sich darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz von unterwegs per beA zu übermitteln, kann im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorgehalten werden, er hätte sicherstellen müssen, im Störungsfall einen zweiten Versandweg zur Verfügung zu haben (Fax) oder auf einen neuen Versandweg ausweichen müssen, den er vorher noch nicht genutzt hatte (Computerfax).

Technische Unmöglichkeit

Das OLG Karlsruhe (Urt. v. 5.10.2023 – 12 U 47/239) stärkt die digitale Arbeitsweise der Anwaltschaft. Am Tag des Fristablaufs hat der Beklagtenvertreter im Zeitraum von 18.34 Uhr bis 21.37 Uhr insgesamt sechs Schriftsätze über sein beA versandt. Nachdem er den hier relevanten Einspruchsschriftsatz gegen 23:10 Uhr fertiggestellt habe, habe er sich dann aber nicht mehr einloggen können, weil vom 31.10.2022 ab ca. 21.30 Uhr bis zum 01.11.2022 gegen 09.31 Uhr eine technische Störung beim beA bestanden habe.

Fax keine Alternative

Eine anderweitige Möglichkeit zur Einreichung des Schriftsatzes habe dem Beklagtenvertreter nicht zur Verfügung gestanden. Er sei am Vorabend zu einem Gerichtstermin gereist und habe in einer Privatunterkunft übernachtet. Ein Fax-Gerät habe ihm dort nicht zur Verfügung gestanden. Die Möglichkeit, ein Internet-Fax zu versenden, sei dem Beklagtenvertreter nicht geläufig und er habe in der verbleibenden Zeit auch keine Möglichkeit gehabt, die technischen Voraussetzung für diese Übertragung zu schaffen.

Erforderliche Sorgfalt

Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt Fristen ausschöpfen. Dann hat der Rechtsanwalt wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos jedoch erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Insbesondere hat er unvorhergesehene Verzögerungen beim Versandvorgang in Rechnung zu stellen und zusätzlich zur eigentlichen Sendedauer eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, um gegebenenfalls durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übersendenden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten. Beginnt ein Rechtsanwalt aber am letzten Tag einer Frist so rechtzeitig mit der Übertragung, dass unter gewöhnlichen Umständen mit deren Abschluss vor 24:00 Uhr am Tage des Fristablaufs gerechnet werden konnte, verwendet er dabei ein funktionsfähiges Sendegerät und die korrekte Empfangsadresse, so hat er grundsätzlich das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan.

Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Übermittlung über das beA entsprechen denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Für die (geplante) Übermittlung per Fax sind die Maßstäbe, die insoweit anzulegen sind, geklärt. Im Ausgangspunkt gilt, dass die aus den technischen Gegebenheiten herrührenden besonderen Risiken eines vom Gericht eröffneten Übermittlungswegs nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Deshalb darf ein Rechtsanwalt sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf einrichten, einen Schriftsatz auf einem bestimmten Weg – insbesondere per Telefax – zu übermitteln. Scheitert die Übermittlung, so ist der Rechtsanwalt zunächst gehalten, im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängen. Liegt die Ursache aber in einem Defekt des Empfangsgeräts oder Leitungsstörungen, kann vom Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verlangt werden, innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherzustellen.