OLG Schleswig, Urt. v. 17.9.2024 – 9 U 84/23
Gesellschafterstreitigkeiten enden regelmäßig in dem Versuch, ggfs. auch wechselseitiger, Ausschließungen. Die Hürden für den wirksamen Ausschluss eines Gesellschafters sind hoch und die Gerichte verweisen zu Recht stets und formelhaft auf den „Ultima Ratio Grundsatz“, also den Ausschluss als letztes Mittel. Außerdem ist in streitigen Auseinandersetzungen auch stets relevant, wer welche Verursachungsbeiträge an den Auseinandersetzungen hat und inwieweit es ein „Mehr-an-Schuld“ auf Seiten des Auszuschließenden Gesellschafters gibt. Dies spielt bei der Abwägung und damit im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine Rolle. Häufig lässt sich nicht sicher absehen, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss – auch aus Sicht eines Gerichts – vorliegen werden, was aber nicht zwingend ein Hindernis sein muss und sollte, diesen Weg zu beschreiten, um ggfs. im Rahmen der (gerichtlichen) Auseinandersetzung zu einer gütlichen Einigung zu kommen und jedenfalls in den steten Auseinandersetzungen – auch zum Wohl der Gesellschaft – einen Schlusspunkt gesetzt zu haben.
Unheilbare Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses als Ausschlussgrund
Das OLG Schleswig hat jüngst den wirksamen Ausschluss eines Gesellschafters in der nachfolgenden Fallkonstellation bejaht (OLG Schleswig, Urt. v. OLG Schleswig (9. Zivilsenat), Urteil vom 17.09.2024 – 9 U 84/23): Die Parteien gründeten am 27. November 2020 die S. KG mit einem Kapital von 100 €. Der Kläger ist als persönlich haftender Gesellschafter für 90 €, der Beklagte als Kommanditist für 10 € beteiligt. Die Gesellschaft soll Versicherungen vermitteln und betreuen. Der Kläger führt die Geschäfte, während der Beklagte strategischer Berater sein sollte und bestimmte Tätigkeiten ausführen musste, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergaben.
In der Gründungsphase gab es Diskussionen über mögliche Konflikte zwischen den Pflichten des Beklagten als Gesellschafter und seiner Zulassung als Rechtsanwalt. Der Beklagte legte ein Gutachten vor, das solche Konflikte bestätigte, und forderte die Streichung entsprechender Vertragspunkte aus dem Gesellschaftsvertrag, was der Kläger ablehnte. Später wollte der Beklagte seinen Gewinnanteil auf seine minderjährigen Söhne übertragen, was ebenfalls abgelehnt wurde.
Im Jahr 2022 kam es zu Spannungen über die Erfüllung der vertraglichen Pflichten, wobei der Kläger den Beklagten beschuldigte, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen. Der Kläger erklärte die Anfechtung des Gesellschaftsvertrags wegen arglistiger Täuschung und forderte den Beklagten auf, seine Tätigkeiten einzustellen. Es folgten gerichtliche Auseinandersetzungen, in denen der Beklagte dem Kläger strafbare Handlungen vorwarf und eine Ausschließungsklage einreichte.
Der Kläger sieht die Vertrauensbasis zu dem Beklagten als unwiederbringlich zerstört und hält eine weitere Zusammenarbeit für unzumutbar, (OLG Schleswig, Urt. v. OLG Schleswig (9. Zivilsenat), Urteil vom 17.09.2024 – 9 U 84/23).
Vorliegen eines wichtigen Grundes
Das OLG hat das Vorliegen eines wichtigen Grundes für den Ausschluss bejaht. Ein solcher ist nach § 133 Abs. 2 HGB insbesondere gegeben, wenn ein Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird, (OLG Schleswig Urt. v. 17.9.2024 – 9 U 84/23).
Dies war zu bejahen im Hinblick auf die Streichung der Tätigkeitspflichten aus dem Gesellschaftsvertrag und wurde vom Gericht wie folgt begründet: Der Beklagte verletzte seine wesentlichen Gesellschafterpflichten, indem er bereits zeitnah nach dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages nachhaltig versuchte, sich von seinen Tätigkeitspflichten in § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 27. November 2020 sanktionslos loszusagen, ohne an der für ihn günstigen Gewinnverteilung gemäß in Höhe von 40% bzw. 50% Änderungen anzubieten, zumal er den Gesellschaftsvertrag in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt maßgeblich mit entworfen und einen Leistungskatalog mit definiert hatte, in welchem seine Pflichten als Kommanditist und Gesellschafter festgehalten wurden, (OLG Schleswig Urt. v. 17.9.2024 – 9 U 84/23).
Vorzuwerfen war dem Beklagten darüber hinaus, dass er den internen Konflikt trotz einer Unterlassungsaufforderung unter Geschäftspartnern verbreitet hat, (OLG Schleswig Urt. v. 17.9.2024 – 9 U 84/23, BeckRS 2024). Im Ergebnis gelangte das Gericht daher zu dem Ergebnis, dass die Pflichtverletzungen des Beklagten ursächlich waren für das Zerwürfnis zwischen den Parteien oder dieses zumindest erheblich vertieft haben. Unter Würdigung aller Gesamtumstände, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass die darin zu sehende Verletzung der Gesellschafterpflichten durch den Beklagten die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm (dem Beklagten) für den Kläger unzumutbar macht und das Unternehmen auch ohne ihn fortgeführt kann, erscheint die Ausschließung des Beklagten vorliegend gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig, so das OLG Schleswig (Urt. v. 17.09.2024 – 9 U 84/23).
Resümee
Auch wenn die Entscheidungen stets nur den Einzelfall betrachten, so zeigen sie doch sehr anschaulich, wo Chancen und Hürden solcher Verfahren liegen, bei denen aber stets neben Rechtsfragen auch strategische Überlegungen eine Rolle spielen. In jedem Fall sind Verfahren zum Ausschluss von Gesellschaftern mit großer Sorgfalt vorzubereiten.