„CO²-neutral reisen. CO²-Emmissionen ausgleichen und abheben“ ist irreführend
BGH Urt. v. 27.06.2024 – I ZR 98/23
OLG Köln, Urt. v. 13.12.2024 – 6 U 45/24
Das Thema „green washing“ und Umweltwerbung ist derzeit wieder omnipräsent, insbesondere auch deshalb, weil der BGH im letzten Jahr wichtige rechtliche Leitlinien ausgeurteilt hat (BGH Urt. v. 27.06.2024 – I ZR 98/23). Ein vom OLG Köln nun entschiedenes Verfahren betraf die Frage, ob die Werbeaussage „CO²-neutral reisen. CO²-Emmissionen ausgleichen und abheben“ wettbewerbsrechtliche zulässig ist – und verneinte das (OLG Köln, Urt. v. 13.12.2024 – 6 U 45/24). Aber warum?
Sachverhalt
Die Beklagte warb im Jahr 2022 auf der Startseite ihres Webauftritts mit einem anklickbaren Feld und der Überschrift „CO2-neutral reisen“ und dem daneben formulierten Text „Zusammen machen wir Fliegen nachhaltiger. CO₂- Emissionen ausgleichen und abheben“. Beim Anklicken der hervorgehobenen Schaltfläche „So geht’s“ wurde dem Verbraucher die Möglichkeit geboten, entweder im Vorhinein oder im Nachhinein CO2-Kompensationen vorzunehmen. Bei Wahl der Option „Kompensation während der Flugbuchung“ erfolgte eine Investition in von der Beklagten unterstützte verschiedene Klimaschutzprojekte. Bei nachträglicher Kompensation erfolgte ein Erwerb von sog. SAF-(Sustainable Aviation Fuels) Kraftstoffen über eine von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebene Kompensationsplattform („Compensaid“). SAF werden aus biogenen Reststoffen hergestellt, wie z.B. Altölen, einem Nebenprodukt der Zellstoffindustrie, das zumeist chemisch weiterverarbeitet wird. Unstreitig war, dass der Abbau von in der Atmosphäre vorhandenem CO2 überwiegend bis zu 100 Jahre, teilweise auch wesentlich länger dauert. Die Projekte arbeiten nach selbstgesetzten und durch private Organisationen vergebenen Standards, die keine zeitliche Permanenz garantieren.
Der Kläger hielt die Werbung also für irreführend und klagte letztlich. Das Landgericht gab dem Kläger Recht und sah eine relevante Irreführung darin, dass die von der Beklagten geförderten Projekte überwiegend kurze Laufzeiten haben, jedenfalls nicht die Erwartung des Durchschnittsverbrauchers rechtfertigen, dass eine über mehrere 100 Jahre erforderliche CO2-Neutralisation durch diese Projekte gewährleistet werden könne.
Entscheidung
Das OLG Köln gab dem Kläger auch in der zweiten Instanz Recht. Es erkannte eine Irreführung konkret darin, dass unklar bleibe, wie genau die Wendung „ausgleichen und abheben“ zu verstehen sei. Der Kunde, dem versprochen wird, dass er seine Flugemissionen „ausgleichen“ kann, werde im Kern erwarten, dass dieses Versprechen jedenfalls dahingehend erfüllt wird, dass ein von ihm geleisteter Mehrbeitrag so viele Emissionen kompensiert werde, wie er durch den Flug verursacht hat. Die Formulierung „ausgleichen und abheben“ lege das Verständnis nahe, dass der Ausgleich erfolgt, bevor der Flug startet, bevor der Kunde also „abhebt“. Ein relevanter Teil der Verbraucher erwarte, dass sie etwas erwerben, was eine sofortige Kompensation auslöst. Die Beklagte hätte darüber aufklären müssen, dass die Kompensation tatsächlich unter Umständen erst in der Zukunft erfolgen werde (OLG Köln, Urt. v. 13.12.2024 – 6 U 45/24).
Resümee
Bei Werbung mit Umwelt-Aspekten ist für Werbende größte Vorsicht geboten und umfassende Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen; das Urteil des OLG Köln unterstreicht dies ein weiteres Mal.