Rechtzeitige Planung und Zeitpuffer
Berufsträger nehmen – auch im Zeitalter von Videoverhandlungen – noch Gerichtstermine in Präsenz wahr, soweit nichts Besonderes. Aber bei der Planung der Anreise und einer möglichen Absage sollte ein paar Dinge beachtet werden:
Terminabsage trotz Zahnschmerzen
So verletzt ein Prozessbevollmächtigter schuldhaft seine Pflicht, dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen, dass er im Verhandlungstermin krankheitsbedingt nicht erscheinen kann, wenn er zu einer telefonischen Mitteilung trotz bestehender starker Zahnschmerzen und Einnahme von Schmerzmitteln in der Lage wäre, dies aber unterlässt (BGH Beschl. v. 23.10.2024 – V ZB 50/23).
Nach 8.00 Uhr habe er zwar an den Gerichtstermin gedacht und seinen Kollegen, mit dem er eine Bürogemeinschaft ohne weiteres Personal bilde, angerufen, aber nicht erreicht. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt schon sehr benommen gefühlt. Einen klaren Gedanken habe er nicht mehr fassen können. Er habe dann ein Taxi gerufen und sei zu seinem Zahnarzt gefahren. Dort habe er sofort eine Spritze gegen die Schmerzen erhalten; der rechte Weisheitszahn sei behandelt worden. Im Zuge der Behandlung habe er noch eine Schmerztablette erhalten und eine weitere, die er gegen Mittag habe einnehmen sollen. Er habe dann noch einige Zeit im Behandlungszimmer verbracht und sei dann mit dem Taxi wieder nach Hause gefahren. Aufgrund der Wirkung der Schmerztabletten habe er den Termin am Landgericht verdrängt.
Für die Entscheidung kann unterstellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte tatsächlich krankheitsbedingt nicht zu der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht anreisen konnte. Dieser Umstand genügt aber nicht für die Annahme, er habe den Termin unverschuldet versäumt. Eine schuldhafte Säumnis liegt regelmäßig auch dann vor, wenn ein Prozessbevollmächtigter, der kurzfristig und nicht vorhersehbar krankheitsbedingt an der Wahrnehmung eines Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen und hierdurch eine Vertagung zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2015 – IX ZR 207/14). Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, nicht entsprochen.
Anreisedebakel
Zu einer komplett missglückten Anreise äußerte sich der AGH NRW (Beschl. v. 5.9.2024 – 2 AGH 1/24): Eine Rechtsanwältin, die weiß, um 13.00 Uhr in Hamm zu einem Termin erscheinen zu müssen, handelt sorgfaltswidrig, wenn sie erst 75 Minuten zuvor mit dem Pkw zu diesem Termin aufbricht. Für eine Autofahrt von 75 Kilometern zwischen Kanzlei und Gerichtsgebäude nur 75 Minuten Fahrtzeit einzuplanen, setzt für ein rechtzeitiges Erreichen des Zielortes schon rein rechnerisch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h voraus. Innerstädtisch ist diese Geschwindigkeit nicht gestattet; dortige Verzögerungen müssten also außerorts vollständig kompensiert werden, was an einem Freitagmittag – quer durch das gerichtsbekannt aktuell zusätzlich von Baustellen durchzogene Ruhrgebiet – von vornherein ausgeschlossen erscheint. Eine solche Planung der Anfahrzeit ist namentlich dann unzureichend, wenn die Rechtsanwältin – wie der Antragstellerin nach eigenem Vortrag schon bei Fahrtantritt positiv bekannt war – nicht über ein funktionsfähiges Mobiltelefon verfügt, mit dem sie eine etwaige unvorhersehbare Verzögerung an das Gericht mitteilen könnte.
Mitführen des Anwaltsausweises
Eine solche potentielle Verzögerung für das Erreichen des Gerichtssaales lag zudem auch in dem Umstand, dass die bloße Anfahrt an das Gerichtsgebäude mit einem Zutritt zu dem Gerichtssaal notwendig nicht identisch ist. Für das Parken des eigenen Pkw und für den Fußweg von dem Parkplatz in den Saal hätte eine sorgfältige Planung weitere Zeiträume berücksichtigen müssen. Zu einer weiteren, mehrminütigen Verzögerungen im Eingangsgereich zum Gerichtsgebäude an einer Gerichtspforte kommt es infolge Personenprüfung für Rechtsanwälte gerichtsbekannt überdies nur dann, wenn sie ihren Anwaltsausweis nicht präsentieren können. Das Mitführen des Rechtsanwaltsausweises ist eine Sorgfaltspflicht, die auch dem hindernisfreien und mithin rechtzeitigen Zugang zu dem Gerichtssaal zu dienen bestimmt ist.