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Umgehung des Rechtsanwalts nach § 12 BORA

Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln. Falls dies dennoch einmal bei Gefahr im Verzug der Fall sein muss, muss der Rechtsanwalt des anderen Beteiligten unverzüglich unterrichtet werden.

Der „Rechtsanwalt eines anderen Beteiligten“ umfasst den für den Gegner tätigen Rechtsanwalt sowie – in Berufsausübungsgemeinschaften – dessen Sozien, angestellte Rechtsanwälte und freie Mitarbeiter sowie auch die mit ihm in der Sozietät aktiven Angehörigen anderer Berufe i.S.d. § 59a Abs. 1 BRAO.

Eine Umgehung liegt in jeder unmittelbaren Kontaktaufnahme des Rechtsanwaltes mit dem gegnerischen Mandanten. Dies gilt auch dann, wenn die gegnerische Partei Kontakt mit dem (gegnerischen) Rechtsanwalt unter Umgehung seines eigenen Rechtsanwaltes aufnimmt (AGH Nds. BRAK-Mitt. 2018, 40); solche Ansprachen hat der Rechtsanwalt abzulehnen oder er muss sich vergewissern, dass kein Mandatsverhältnis mehr besteht.

Und wie sieht es mit dem Rechtsanwalt in eigener Sache aus? Dieser unterliegt dem Umgehungsverbot des § 12 Abs. 1 BORA nicht, da dies einerseits nur für seine berufliche Tätigkeit gilt und andererseits kein Grund ersichtlich ist, warum er „schlechter“ gestellt werden sollte als eine „normale“ Partei. Selbst wenn er bei der Korrespondenz sein Praxispapier verwendet, will er nicht anwaltlich im Interesse Dritter, nämlich im Interesse von Mandanten tätig werden, sondern seine eigenen persönlichen Interessen wahrnehmen. Anders ist der Fall jedoch zu beurteilen, wenn sich der Rechtsanwalt von einem Kollegen aus der eigenen Sozietät vertreten lässt (AnwG Köln NJW-RR 2019, 1341).

Ein Verstoß gegen § 12 BORA führt i.V.m. §§ 43, 74, 113 ff. BRAO – je nach Schwere des Verstoßes – zu einer Rüge oder anwaltsgerichtlichen Maßnahme. Auf die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften oder Willenserklärungen, welche unter Verstoß gegen § 12 BORA ergangen sind, hat dieser Verstoß keine Auswirkungen (BGH NJW 2003, 3692). Ein Verstoß gegen § 12 BORA kann zudem einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 3a UWG auslösen (dazu: Günther in: BeckOK BORA, Stand: 1.12.2019, § 12 Rn. 22)