BAG, Urteil vom 3. Juni 2025 – 9 AZR 104/24
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 3. Juni 2025 -9 AZR 104/24 klargestellt: Ein Arbeitnehmer kann im laufenden Arbeitsverhältnis nicht wirksam auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten — auch nicht durch einen gerichtlichen Vergleich. Dies gilt selbst dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht und der Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit absehbar den Urlaub nicht mehr nehmen kann.
Sachverhalt
Der Kläger war seit 2019 bei der Beklagten beschäftigt; sein Jahresurlaub betrug 30 Tage. Die Parteien schlossen am 31.3.2023 einen gerichtlichen Vergleich, mit dem das Arbeitsverhältnis zum 30.4.2023 enden sollte. Der Kläger war im Jahr 2023 durchgehend krankgeschrieben und konnte den Jahresurlaub nicht mehr wahrnehmen. Im Vergleich war u. a. geregelt, „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt“ und eine abschließende Ausgleichsklausel vereinbart. Später forderte der Kläger die Abgeltung des für 2023 verbleibenden gesetzlichen Mindesturlaubs von sieben Tagen.
Rechtliche Erwägungen des BAG zum gesetzlichen Urlaubsanspruch
Das BAG stützt sich in seinen rechtlichen Erwägungen zu Gunsten des bestehenden Anspruchs auf § 13 BurlG, bei dem es sich um eine Schutzvorschrift handele, wonach zugunsten des Arbeitnehmers von bestimmten Regelungen nicht abgewichen werden darf. Nach § 13 BUrlG ist ein Verzicht auf Urlaubsansprüche im laufenden Arbeitsverhältnis unzulässig. Zur Begründung verweist das BAG auf die europarechtliche Einordnung: Die Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG, Art. 7) schützt den Mindestjahresurlaub und verbietet, ihn im laufenden Arbeitsverhältnis durch finanzielle Vergütung zu ersetzen. Dies ist unionsrechtskonform auszulegen. Daher gäbe es auch kein Verfügungsrecht durch Vergleich über den Anspruch: Die Vereinbarung im Vergleich, Urlaubsansprüche seien in natura gewährt bzw. vollständig abgegolten, stellte nach Ansicht des BAG ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis dar, das den Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub in laufendem Arbeitsverhältnis ausschließen sollte. Das ist aber nach § 13 BUrlG unwirksam.
Auch die andauernde Arbeitsunfähigkeit führte nicht dazu, dass der Mindesturlaubsanspruch nicht entstanden wäre, denn bekanntermaßen steht eine krankheitsbedingte Abwesenheit der Entstehung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen.
Kein Widerspruchsverbot
Dem Kläger wurde sein Vorgehen nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) verwehrt. Er hatte bereits vor Vergleichsschluss ausdrücklich auf die Unabdingbarkeit des Mindesturlaubs hingewiesen; deshalb konnte sich die Beklagte nicht schützend auf ein Vertrauen berufen.
Resümee
Vergleichsregelungen dürfen den gesetzlichen Mindesturlaub im laufenden Arbeitsverhältnis nicht ausschließen oder ersetzen. Kündigungs- oder Abfindungsvergleiche sollten deshalb klare und rechtskonforme Formulierungen enthalten. Bei anhaltender Krankheit des Arbeitnehmers entsteht der Urlaubsanspruch weiterhin; Arbeitgeber müssen mit Abgeltungsansprüchen bei Beendigung rechnen. Arbeitgeber können durch eindeutige Abfindungsregelungen nach rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z. B. Zahlungsabgeltung nach Beendigung) Rechtssicherheit erreichen — aber nicht während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses.
