BGH, Beschl. v. 19.2.2025 – XII ZB 420/24 und BFH, Beschluss vom 07.03.2025 – XI B 11/24
Hoher Sorgfaltsmaßstab in der Kanzlei
Bei der Wahrnehmung (bzw. dem Bemühen bzgl. dessen Verlegung) von Terminen und der Kontrolle von Fristen muss im Kanzleialltag eine hohe Sorgfalt an den Tag gelegt werden und etwaige Verhinderungen stets detailliert und sorgfältig begründen und belegt werden.
Fristenversäumnis bei Krankheit
Der BGH (Beschl. v. 19.2.2025 – XII ZB 420/24) hatte sich einmal mehr mit der Frage des Fristversäumnisses bei Rechtsanwälten im Kanzleialltag zu befassen. Eine Beschwerdefrist wurde versäumt; zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, sein Verfahrensbevollmächtigter sei seit dem 7. Mai 2024 arbeitsunfähig gewesen, weshalb sich Rechtsanwalt M. bereit erklärt habe, die Fristsachen für ihn zu bearbeiten. Seine langjährige zuverlässige Kanzleikraft habe der Verfahrensbevollmächtigte angewiesen, die Fristakten am 31. Mai 2024 zu Rechtsanwalt M. zu bringen, damit dieser prüfen könne, ob eine Fristverlängerung zu beantragen oder die Sache zu begründen sei. Die Kanzleiangestellte habe jedoch versäumt, dieser Anweisung Folge zu leisten. Zur Glaubhaftmachung hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleikraft vorgelegt, mit der diese versichert hat, der zur fraglichen Zeit arbeitsunfähige Verfahrensbevollmächtigte habe sie am 31. Mai 2024 telefonisch gebeten, „die Akte in dieser Angelegenheit“… zu Rechtsanwalt M. „zwecks Erledigung der Frist“ zu bringen. Dies habe sie versäumt.
Hierzu – wenig überraschend – der BGH: Nach der Rechtsprechung müsse ein Rechtsanwalt auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung alle ihm noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. An einem dem Verfahrensbeteiligten zuzurechnenden Verschulden seines Rechtsanwalts fehlt es in einem solchen Fall nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte. Auch im Falle einer unvorhergesehenen Erkrankung des Verfahrensbevollmächtigten trägt dieser grundsätzlich die Verantwortung für eine den Anforderungen entsprechende Fristenkontrolle. Dies gilt auch bei vereinbarter Krankheitsvertretung, soweit zwischen dem erkrankten Verfahrensbevollmächtigten und dessen Vertreter nichts anderes vereinbart ist. Danach hätte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers durch organisatorische Anordnungen sicherstellen müssen, dass die Beschwerdebegründungsfrist in seinem Fristenkalender eingetragen und dass sie nicht ausgetragen wird, bevor die Erledigung der notwendigen fristwahrenden Maßnahmen – im Falle einer vertraglichen Übertragung der Fristenkontrolle auf den Krankheitsvertreter die Übergabe der Verfahrensakten an den Vertreter – überprüft wurde.
Verhinderung Termin
Ein Gericht hatte die Klägerseite samt Anwalt zur mündlichen Verhandlung geladen. Am gleichen Tag sollte der Anwalt auch in einem Parallelverfahren auftreten. Diesbezüglich bat er – gut drei Wochen vorher – wegen einer kollidierenden Aufsichtsratssitzung – vergeblich – um Terminverschiebung. Zwei Tage vor dem Termin teilte er dem Gericht dann (kurz vor Mitternacht) mit, dass er die beiden Termine verlegen müsse, da sein Sohn an Brechdurchfall leide und er ihn betreuen müsse. Weder die Ehefrau noch die Großeltern könnten einspringen. Die Kollegen seien anderweitig terminlich eingebunden und hätten keine Fallkenntnis. Hierzu der BFH (Beschluss vom 07.03.2025 – XI B 11/24): Der Anwalt habe nicht nachgewiesen, dass die Erkrankung seines Sohns so schwer war, dass ein Erscheinen zum Termin selbst per Video-Zuschaltung wegen des bedenklichen Gesundheitszustands des Kindes nicht erwartet werden konnte. Dem zur Glaubhaftmachung angeforderten ärztlichen Attest fehle es bereits an jeglichen Ausführungen zur Art und Schwere der Erkrankung des Sohnes. Offen geblieben sei auch, warum nicht eine andere Person das Kind betreuen konnte.